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Dicke Luft. Lange lagen die Verhandlungen über ein CCS-Gesetz auf Eis. Nun haben sich Bund und Länder geeinigt. Dabei galt die Technologie schon als abgeschrieben. Besonders bei der Kohleverstromung wie hier in Jänschwalde wird viel CO2 frei gesetzt.

© dapd

DISKUSSION UM CCS-GESETZ: Kompromiss mit Streitpotenzial

Die Bund-Länder-Einigung zu CCS spaltet Brandenburgs Linkspartei. Kritik gibt es auch am geplantem CO2-Pipeline-Netz

Von Matthias Matern

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Potsdam/Berlin - Nach monatelangem Stillstand haben sich Bund und Länder auf einen Kompromiss für ein sogenanntes CCS-Gesetz geeinigt und somit den Weg für die Abscheidung und unterirdische Speicherung von Kohlendioxid zu Testzwecken frei gemacht. Doch für das bundesweit einst vielversprechendste CCS-Vorhaben kommt die Einigung viel zu spät: „Obgleich diese Verständigung für unser im Dezember eingestelltes Projekt leider zu spät kommt, so öffnet sie doch die Tür für spätere Anwendung im großen Kraftwerksmaßstab“, beendete der Vorstandschef des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall, Tuomo Hatakka, am Donnerstag Spekulationen um die eventuelle Wiederaufnahme der Planung für ein CCS-Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde (Spree-Neiße).

Politischen Sprengstoff, vor allem innerhalb der Links-Partei, birgt das Thema dennoch in ausreichender Menge. Zumal CCS (Carbon Capture and Storage) für Vattenfall wie berichtet langfristig eine Option in Brandenburg bleibt. Erst im Februar hatte Hatakka in Leuna (Sachsen-Anhalt) bekräftigt, am Standort Jänschwalde ein entsprechendes Kraftwerk in „kommerzieller Größe“ bauen zu wollen, wenn in zehn bis 15 Jahren ohnehin eine Ersatzinvestition für den dort existierenden, herkömmlichen Kohlemeiler anstehe. „Wenn Klimaschutz in Europa und weltweit weiter ganz oben auf der Agenda steht, dann wird man in Energie und Industrie an CCS auf Dauer nicht vorbeikommen“, erklärte der Vorstandschef am Donnerstag entsprechend. Insgesamt 1,5 Milliarden Euro, davon 180 Millionen Euro Fördergelder der EU, wollte der Konzern ursprünglich in seine Jänschwalder Demo-Anlage investieren. Das abgetrennte Klimagas sollte gegen den massiven Widerstand der dortigen Bewohner im Osten Brandenburgs bei Neutrebbin (Märkisch-Oderland) und Beeskow (Oder-Spree) in unterirdische Speicher gepumpt werden. Weil der Bundestag jedoch nicht rechtzeitig ein geeignetes CCS-Gesetz verabschiedete, Vattenfall immer mehr in Zeitverzug hinsichtlich der Fördervorgaben kam, gab der Konzern das Projekt im Dezember auf und stellte die Erkundung der Speicher ein. An eine Wiederaufnahme der Untersuchungen wird nicht gedacht, hieß es am Donnerstag.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), beides CCS-Befürworter, begrüßten die Einigung aus dem Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, versicherten aber ebenfalls, dass eine CO2-Speicherung in Brandenburg vom Tisch sei. Bislang hatte nicht zuletzt Brandenburg sich einer Einigung verweigert. Stein des Anstoßes war die sogenannte Länderklausel, die es anderen Bundesländern ermöglicht hätte, CCS auf ihrem Territorium grundsätzlich zu verbieten. Auch der Kompromiss sieht eine Länderklausel vor. Aber anders als bislang muss dafür kein eigenes Landesgesetz verabschiedet werden, sich Brandenburg also womöglich nicht als einziges Bundesland explizit zum CCS-Land erklären.

Für einen zweiten Anlauf im Kraftwerksmaßstab setzt Hatakka statt auf Speicherung vor Ort auf einen Ansatz, den auch die brandenburgische Landesregierung verfolgt. Statt das CO2 an Ort und Stelle zu verpressen, soll es über ein europaweites Pipeline-Netz in großen Häfen zusammengeführt werden und von dort aus zu möglichen Offshore-Speichern gebracht werden. Erst vor Kurzem machte Christoffers vor brandenburgischen Europaabgeordneten in Brüssel Druck, sie mögen sich doch bitte für eine entsprechende Förderung einsetzen. Für europäische Transportinfrastrukturen und grenzüberschreitende Kooperationen gebe die Umsetzung der CCS-Richtlinie positive Impulse, frohlockte Tuomo Hatakka am Donnerstag.

Dies aber sorgt für neuen Streit innerhalb der Links-Partei im Land, die beim Thema CCS ohnehin gespalten, zwischen Koalitionstreue und Angst vor dem Profilverlust hin und her gerissen ist. Entsprechend kritisch äußerte sich gestern Linke-Landtagsabgeordneter und bekennender CCS-Gegner, Peer Jürgens. Europaweite CO2-Pipelines fänd er nicht so schön, so Jürgens. Insofern betrachte er die Einigung zwischen Bund und Ländern mit einem weinenden Auge. Bekannt ist auch, dass die Linke-Fraktion im Bundestag CCS ebenfalls für Teufelszeug hält. Deren Parlamentarische Geschäftsführerin, die brandenburgische Abgeordnete Dagmar Enkelmann, erklärte, eine Entsorgung riesiger Mengen CO2 im Ausland werde es mit der Linken nicht geben.

Könnte Jürgens, wie er wollte, würde er seinen Wirtschaftsminister zurückpfeifen und die Pipeline-Pläne begraben. Aber: „Die Linke in Brandenburg lehnt CCS wie die Bundestagsfraktion ab. Aufgrund der Haltung der SPD können wir aber CCS nicht so klar ablehnen, wie wir das wollen“, gibt er unumwunden zu.

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