Brandenburg: Konkurrenz um Potsdamer Geiger-Kolleg wächst
Nach Bayern will auch Thüringen eine jüdische Fakultät errichten – für Regierungschefin Lieberknecht eine Chefsache
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Potsdam - Angesichts wachsender Konkurrenz wird immer ungewisser, ob Brandenburg an dem geplanten, europaweit einmaligen Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg tatsächlich mit einer jüdischen Fakultät teilhaben wird. Nach Bayern wirbt jetzt auch Thüringen um das bislang in Potsdam angesiedelte Abraham Geiger Kolleg, dessen Rabbinerausbildung die Basis für eine Jüdische Fakultät bilden soll. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) verkündete am Mittwoch in Jerusalem, bereits im Januar solle der Auftrag zur Gründung einer solchen Fakultät an der Universität Erfurt erteilt werden. Das Interesse beim Geiger-Kolleg sei groß. Lieberknecht erklärte die Fakultät zur Chefsache und will dafür „alles tun“.
Kolleg-Direktor Walter Homolka zeigte sich positiv überrascht von der frühzeitigen Ankündigung Lieberknechts. Den PNN sagte er: „Potsdam bleibt eine Option.“ Was in Brandenburg zwei Jahre dauere, „wird in Thüringen mit wenigen Telefonaten geklärt. Das hat Handschlagqualität.“ Anfang November hatte Homolka Brandenburgs rot-rote Landesregierung zu einer Entscheidung über eine eigenständige jüdische Fakultät gedrängt und einen „politischen Willensakt“ gefordert. Als weitere Alternative zu Potsdam gilt neben Erfurt die Universität Nürnberg-Erlangen in Bayern, wo Walter Homolka im November Sondierungsgespräche führte.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) erklärte vor Weihnachten, ein endgültiger Entschluss über die jüdische Fakultät solle in der zweiten Jahreshälfte 2012 getroffen werden. Als Voraussetzung würde jetzt ein neues Hochschulgesetz vorbereitet. So müssen etwa bekenntnisgebundene Berufungen und Professuren geregelt werden. Allerdings liegt die Entscheidung über die Fakultät zunächst bei der Universität Potsdam. Zudem will Kunst die Empfehlungen der Hochschulstrukturkommission des Landes Ende März abwarten.
Homolka sagte, seine Geduld sei in Brandenburg „bisher ziemlich strapaziert“ worden. Dagegen erklärte Wissenschaftsstaatssekretär Martin Gorholt, „von Langsamkeit kann keine Rede sein, wir sind da sehr schnell“. Der Prozess zur Gründung einer neuen Fakultät gehe nicht „von heut auf morgen vonstatten“. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Ministerium, Universität und Geiger-Kolleg befasse sich damit. Auch Lieberknecht räumte ein, bis zum Aufbau des Instituts in Erfurt könnten zwei Jahre vergehen, aber „das Angebot ist da. Man muss einfach den Mut haben, es muss einfach passen“.
Thüringen trumpft mit einigen Vorteilen auf, etwa dass es dort eine evangelische und eine katholische Fakultät gibt. Mit dem neuen Zentrum für jüdische Studien soll die vom Bund angestrebte Gleichstellung der Imam- und der Rabbinerausbildung mit den christlichen Theologien auf Hochschulebene umgesetzt werden. Auch bei der Finanzierung zeigte sich Lieberknecht großzügig, diese sei „nicht so furchtbar aufregend“. Anders in Brandenburg: Laut einem Ministeriumspapier kommt eine Finanzierung der Professuren aus dem Hochschulbudget „grundsätzlich nicht in Betracht“.
Der Bund will für das Zentrum 4,3 Millionen Euro zuschießen. Dort sollen die beiden großen Strömungen des Judentums, liberal und konservativ, vertreten sein. Fachleute werten das Zentrum daher als einzigartig in Europa. Der Wissenschaftsrat des Bundes, die Rabbinerkonferenz und die Kultusministerkonferenz hatten sich für Potsdam ausgesprochen.
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