Brandenburg: KZ-Gedenkstätten brauchen mehr Geld
Stiftungsdirektor warnt vor einer Stagnation der Arbeit und beklagt eine Finanzierungslücke von einer halben Million Euro pro Jahr
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Oranienburg - Die Brandenburgischen KZ-Gedenkstätten in Sachsenhausen und Ravensbrück brauchen zur Fortsetzung ihrer erfolgreichen Arbeit dringend mehr Geld. Aktuell fehlen im Etat dieses und des nächsten Jahres jeweils bis zu 500 000 Euro. „Die Situation ist besorgniserregend“, sagte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Professor Günter Morsch, am Dienstag in Oranienburg. „Wir laufen Gefahr, in die Stagnation abzurutschen und damit unsere gewachsenen Aufgaben nicht mehr erfüllen zu können.“ Die Stiftung sei in den kommenden Jahren gezwungen, Investitionen zu verschieben. Trotz steigender Besucherzahlen seien weniger Führungen angeboten worden. Sonst könne sie die Kosten nicht decken. Das Geld werde vor allem für Veranstaltungen, Ausstellungen, neue Bücher und die Archive benötigt. Als Kostentreiber würden sich die Ausgaben für das Personal sowie für Energie erweisen.
Die Stiftung, zu der neben den ehemaligen Konzentrationslagern in Oranienburg und Fürstenberg auch die Erinnerungsstätte an den Todesmarsch der Häftlinge im Belower Wald bei Wittstock und die Gedenkstätte im Zuchthaus Brandenburg (Havel) gehören, hat seit 1993 bereits 20 Prozent der Arbeitsstellen auf jetzt 57 abbauen müssen.
„Leider fehlt in weiten Teilen der Gesellschaft das Verständnis für die Wichtigkeit unseres Wirkens“, beklagte sich der Stiftungsdirektor. Sonst würde es nicht so schwerfallen, mehr Geld zu erhalten. Träger der Stiftung sind je zur Hälfte das Land Brandenburg und der Bund. Beide stellen pro Jahr zwar zusammen rund 5,8 Millionen Euro zur Verfügung, aber die notwendigen Ausgaben allein für die Erhaltung der authentischen Orte des NS-Terrors halten mit den Zuwendungen nicht Schritt. Dabei ist Brandenburg kaum allein in der Lage, den Haushalt der Stiftung allein weiter zu erhöhen. 2013 und 2014 seien jeweils 60 000 Euro. Auch der Bund stehe in Verantwortung. Wenn Deutschland in der Erinnerungskultur mit Einrichtungen wie der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mithalten wolle, müsse es mehr investieren.
In keinem anderen Bundesland gibt es mit Sachsenhausen und Ravensbrück gleich zwei große KZ-Gedenkstätten mit rund 50 Bauten und 100 Hektar Fläche. Etwa 61 Millionen Euro wurden seit 1993 in die Sanierung der einzelnen Areale gesteckt. In Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200 000 Menschen inhaftiert, Zehntausende starben durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit oder Vernichtungsaktionen der SS. Im größten deutschen Frauenkonzentrationslager in Ravensbrück waren von 1939 bis 1945 etwa 132 000 Frauen und Kinder sowie 20 000 Männer inhaftiert. In Nordrhein-Westfalen dagegen existiert überhaupt kein ehemaliges Lager.
Dabei gilt die Entwicklung der Stiftung in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchaus als Vorbild in ganz Deutschland. Mit viel Engagement wurden aus den bis 1989 staatlich verordneten Mahn- und Gedenkstätten zeithistorische Museen, die sich international sehen lassen können. „Dank unseres Umgangs mit der Vergangenheit haben wir viel zum Ansehen Deutschlands in der Welt beigetragen“, meinte Professor Morsch. „Um hier weitermachen zu können, brauchen wir eben mehr Geld.“
Das Interesse der Besucher gibt ihm Recht. Dank des weiter wachsenden Berlin-Tourismus rechnet der Direktor in diesem Jahr erstmals mit einer halben Million Besucher allein in Sachsenhausen, nachdem im Vorjahr 480 000 Gäste die Ausstellungen besucht hatten. In Ravensbrück waren es 110 000 Menschen. In den vergangenen 20 Jahren hätten mehr als 8,6 Millionen Gäste die Gedenkstätten der Stiftung besichtigt. Die meisten ausländischen Besucher sprechen nach wie vor spanisch, vor englisch, italienisch, schwedisch und norwegisch. Sorgen bereitet der Gedenkstättenleitung immer noch das geringe Interesse von Berliner Schulklassen an Sachsenhausen.
Die Stiftung wird am 26. Februar bei einem Festakt in der Staatskanzlei in Potsdam ihr 20-jähriges Bestehen feiern. Dazu werden zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland erwartet. Die Festrede hält der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor. (mit dapd)
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