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Energiepolitik: Langsamer SPD-Abschied von Klimaschutzzielen
Rot-rote Differenzen in der Brandenburger Energiepolitik zeigen, dass die Dauer der Braunkohleverstromung umstritten ist und nach einer neuen Strategie gesucht wird.
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Potsdam - In der Energiepolitik steuern SPD und Linke drei Jahre vor der nächsten Landtagswahl in unterschiedliche Richtungen. Einen offenen Disput über die Dauer der Braunkohleverstromung vermeiden die Koalitionspartner zwar, doch mit ihren jetzt auf Fraktionsklausuren abgesteckten Langfrist-Zielen treten die Differenzen in der rot-roten Koalition wieder deutlich zu Tage. Der Linke-Abgeordnete Peer Jürgens sagte, er sehe für diese Legislaturperiode „keinen Konflikt“, aber „für die Perspektive des Landes einen Dissens“. Die Linke gehe in der Energiepolitik einen „fortschrittlichen“ Weg, die SPD einen rückwärtsgewandten“.
Beschleunigt wird die Energiedebatte noch, weil das CCS-Gesetz für unterirdische CO2-Speicher im Bundesrat Ende nächster Woche scheitern könnte – und damit auch die Pläne des Energiekonzerns Vattenfall für ein CCS-Kraftwerk in Jänschwalde und einen Speicher in Ostbrandenburg hinfällig sind. Dann aber wären Brandenburgs Klimaschutzziele zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, der zum größten Teil aus den als Dreckschleudern geltenden Braunkohlekraftwerken stammt, nicht mehr zu halten. In der SPD-Fraktion ist daher die Abkehr von den ehrgeizigen Klimazielen kein Tabu mehr, auch wenn es niemand offen ausspricht.
Der Fraktionschef der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, der in Brandenburg/Havel seinen Wahlkreis hat, plädierte auf der Klausur der Landtagsfraktion in Joachimsthal (Barnim) für eine stärkere Nutzung der Braunkohle, auch ohne CCS. Man werde für „eine längere Übergangszeit auf Kohle angewiesen“ sein. Daher müssten alle geplanten und im Bau befindlichen Braunkohlekraftwerke „zu Ende gebaut werden“. Dazu zählt auch ein Neubau in Jänschwalde. Damit heizte Steinmeier Spekulationen an, ob Vattenfall nun statt des geplanten CCS-Kraftwerkes bei einem Scheitern des Gesetzes einfach ein herkömmliches errichten könnte. Das aber würde eine Abkehr von der bisherigen rot-roten Linie bedeuten, wonach der Neubau von Kraftwerken an eine deutliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes etwa durch CCS gekoppelt sein muss.
Nun sucht die SPD nach einer neuen Strategie. Man könne nicht aus Atomenergie und der Kohleverstromung gleichzeitig aussteigen, hieß es. SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher hielt sich am Donnerstag in Joachimsthal auffällig bedeckt, wohin die Sozialdemokraten in der Energiepolitik steuern. Im RBB hatte er am Mittwoch gesagt; „Wir brauchen Braunkohle längerfristig für eine Übergangszeit von einigen Jahrzehnten bis 2050.“ Die Fraktion konnte sich aber nicht auf ein Strategiepapier einigen und hat einen Arbeitskreis damit beauftragt. Über Klimaschutz wurde offiziell auffällig wenig gesprochen. Stattdessen sagte Holzschuher: „Wir müssen uns über eine andere Energiestrategie im Land nach dem Ausstieg aus der Kernenergie Gedanken machen und überlegen, was das für das Land bedeutet.“
Ministerpräsident und SPD-Landeschef Matthias Platzeck spielte die Arbeitsplatz-Karte aus: In Brandenburg gebe es noch immer eine Stahlindustrie und eine wachsende Papierindustrie, die auf eine „bezahlbare und sichere Energieversorgung“ angewiesen seien. Wenn es durch Strom aus erneuerbaren Energien, bei denen Brandenburg deutschlandweit Spitzenreiter ist, „zu Schwankungen kommt, werden wir diese Industrie nicht mehr lange halten können. Die Folgen kann sich jeder ausrechnen“.
Die Linksfraktion dagegen, die zeitgleich in Bad Saarow (Oder-Spree) in Klausur ging, hat ihre Position bekräftigt. „Für uns sind keine Abstriche zu machen, dass Brandenburg so schnell wie möglich raus muss aus der Braunkohle und Erneuerbares Vorfahrt haben muss“, sagte Fraktionschefin Kerstin Kaiser. Trotz Atomausstieg „sind wir sicher, dass das möglich ist“. Als Ziel für den Kohleausstieg nannte Kaiser „spätestens 2040“, was im Widerspruch zur Linie der SPD-Fraktion steht und nur noch von den Grünen unterboten wird, die 2020 für möglich halten. Im vom Linken Ralf Christoffers geführten Wirtschaftsministerium dagegen wird ein Zeitfenster bis mindestens 2045 und darüber hinaus für realistisch gehalten. Die Experten des Hauses rechnen wie die SPD damit, dass die Klimaschutzziele verfehlt werden. „Klar ist, dass sich Braunkohleverstromung ökologisch nicht lohnt, ineffizient und wirtschaftlich nicht akzeptabel ist“, so Kaiser. Einen Koalitionsstreit fürchtet die Linksfraktion aber nicht. Es gebe einen Koalitionsvertrag, deshalb werde es bis zur Wahl 2014 „keinen Neuaufschluss von Tagebauen geben“. Und CCS sei „offensichtlich zu Ende diskutiert, niemand will das Risiko eingehen, CO2 zu verpressen“.
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