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SORGENPERSONAL: Linke Sachen

Vor Monaten noch galt es in Brandenburgs rot-roter Koalition als gesetzt, dass das Bündnis nach der Landtagwahl weitermacht. Doch nun häufen sich bei den Linken Affären, Pannen und Entgleisungen. Bislang steht Ministerpräsident Woidke zu Ralf Christoffers

Stand:

Potsdam - Eigentlich hat er Urlaub, erkältet ist er auch. Zu allem Überfluss hat Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD), der am Dienstag auf einer Bauernversammlung in Luckau auftrat, in diesen Tagen auch noch jede Menge Ärger mit dem Koalitionspartner Linkspartei. Nachdem gerade Justizminister Volkmar Schöneburg über eine Gefängnis-Affäre stürzte, das Kabinett umgebildet werden musste, werden von CDU und FDP nun Rücktrittsforderungen gegen Wirtschaftsminister Ralf Christoffers wegen der Betrugs-Affäre um die Luckenwalder Pleite-Firma Human Biosciences (HBS) laut. Wie berichtet hatte diese insgesamt 6,5 Millionen Euro Fördermittel erhalten, obwohl Christoffers, die Förderbank ILB und das Wirtschaftsministerium vor Auszahlung der zweiten 3,2 Millionen Euro Hinweise auf die Unseriosität der Firma hatten. Dies geht aus einem von den PNN veröffentlichten Vermerk hervor, der über ein von Christoffers anberaumtes Treffen am 26. September 2012 gefertigt wurde – zwei Tage vor Überweisung der Millionen, die nach Erkenntnissen von Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwalter im Ausland verschwunden sind. Da sich Christoffers in seinem Krisenmanagement noch in Widersprüche zur eigenen Rolle verstrickte, die CDU ihm offen Lügen vorwirft, kommt am Montag der Landtag auf CDU-Antrag zu einer Sondersitzung zusammen.

Woidke, daran ließ er am Rande der Bauernversammlung in Luckau keinen Zweifel, steht zu Christoffers. Eine Bewertung des Falls wolle er jetzt nicht vornehmen, sagte Woidke den PNN. Nur so viel sagte er, dass er bei den Vorwürfen der letzten Tage „nicht viel Neues“ sehe. Er gehe davon aus, dass Christoffers am Donnerstag an die Öffentlichkeit gehe und alles erklären könne. Er fügte mahnend hinzu, den Fall HBS nicht allein aus heutiger Perspektive zu sehen. „Der Pathologe ist immer der schlaueste Mediziner.“

Auch Christoffers, der immer mehr unter Druck geriet, will kämpfen, vor der Sondersitzung des Landtages das Ruder herumreißen. „Wir werden mit Sicherheit nicht noch einmal in die Defensive kommen, dass wir nur im Nachhinein etwas erklären“, sagte er jetzt. Zu erklären hat er viel, darunter kaum Erklärbares. Zwei Tage, bevor am 28. September 2012 die ILB an die HBS 3,2 Millionen Euro überwies, hatte es ein Krisentreffen im Landtag gegeben. Am Tisch saßen Christoffers, Vertreter seines Ministeriums und der ILB, die mit HBS-Vertretern verhandelten, darunter einem, der in den USA als Förderbetrüger verurteilt war. Die ILB, dies hat deren Vorstand Tillmann Stenger bereits bestätigt, wusste davon. Auch diesmal ging es um Fördergelder, die nach Hinweisen auf Betrug seit April auf Eis lagen. Zwar geht aus einem Vermerk zum Termin am 26. September nicht hervor, dass Christoffers persönlich Druck machte. Der Minister selbst erklärte vergangene Woche im Wirtschaftsausschuss des Landtages und am Dienstag vor Journalisten: „Es gab von mir keine Einflussnahme, auch keine Weisung.“ Dass das Geld möglichst schnell fließen sollte, war aber laut Vermerk Ergebnis des Treffens. Zwei Tage später wurden die Millionen freigegeben. Vor allem aber hatten die HBS-Vertreter laut Vermerk erklärt, dass sie die Fördergelder zweckwidrig verwenden wollten – nämlich für Bauleistungen anstatt des Kaufs von Technik. Dieser Umstand interessiert dem Vernehmen nach die Potsdamer Staatsanwälte, die bereits gegen zwei HBS-Manager und drei weitere Beschuldigte wegen schweren Betruges ermitteln. Wie berichtet war das angeblich heilende Wundpflaster, das in Luckenwalde produziert werden sollte, von der US–Gesundheitsbehörde nicht zugelassen.

Dabei mussten alle gewarnt sein. Genau zu dieser Zeit, im Juni 2012, wurde Hotelier Axel Hilpert wegen Fördermittelbetrugs beim Resort Schwielowsee verurteilt. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Laut Urteil hatten es die Förderbank ILB – sie ist Geschäftsbesorgerin der Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums – und das Wirtschaftsministerium Hilpert leicht gemacht, wie der Richter ausdrücklich erklärte. Bei dem Treffen im Landtag am 26. September 2012 – drei Monate nach dem Hilpert-Urteil – mit den HBS-Leuten saßen die gleichen ILB-Verantwortlichen für Gewerbekunden am Tisch, die die Fördermillionen an das Resort Schwielowsee überwiesen hatten.

Und während das alles für Christoffers weiter hochgefährlich ist, CDU-Herausforderer Michael Schierack Ministerpräsident Woidke angriff, hat die neue Linken-Fraktionschefin Margitta Mächtig, vorher rechtspolitische Sprecherin, gleich noch Ärger mit der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ermittelt gegen sie wegen Fahrerflucht. Sie hatte im Sommer 2013 beim Einparken ein Fahrzeug „touchiert“, wie sie sagt, und dann einen Zettel an der Windschutzscheibe hinterlassen. Schon auf dem jüngsten Parteitag, als der neue Finanzminister Christian Görke als Parteichef und Spitzenkandidat für die im Herbst anstehende Landtagswahl inthronisiert wurde, hatte es Merkwürdigkeiten gegeben. Da griffen Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige und Ex-Parteichef Stefan Ludwig Medien an. Da warf der Potsdamer Landtagsabgeordnete Norbert Müller, ein Radikallinker, dem Landesverfassungsschutz vor, die Demokratie zu gefährden.

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