Von Matthias Matern: Mangelware Brandenburg
Auch für märkische Köche sind regionale Produkte schwer zu bekommen, Spezialitäten fast gar nicht.
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Berlin/Potsdam - Auch den brandenburgischen Küchenchefs geht es nicht besser als ihren Kollegen in Berlin. Obwohl viele märkische Spitzenköche quasi an der Quelle sitzen, kommen Teltower Rübchen oder Havelländer Apfelschwein in den Top-Restaurants des Landes nur selten auf den Teller. Selbst frisches Obst und Gemüse aus heimischer Produktion ist rar. Spezialitäten, wie den Havelzander, gibt es fast gar nicht. Häufig muss auf Waren aus Italien, Frankreich oder Spanien zurückgegriffen werden. „Es ist extrem schwierig, regelmäßig Produkte in guter Qualität zu bekommen“, bestätigt etwa Spitzenkoch Dieter Kobusch vom Restaurant Vierseithof in Luckenwalde (Teltow-Fläming). Dem mehrfach ausgezeichnete Küchenchef kommt es vor allem auf den Eigengeschmack der Produkte an. „Ich brauche keine Standardmöhre, sondern eine, die auch nach Möhre schmeckt“, meint Kobusch.
Gründe für den Engpass sind zum einen, dass die im Land Brandenburg zur Verfügung stehenden Produkte einfach für den Bedarf nicht ausreichen. Zum anderen fehlt es an der nötigen Logistik. Großhändler, die etwa die Versorgung der Restaurants mit Waren aus der Region organisieren könnten, sind Mangelware. Und für die teils kleinen Viehzüchter und Biobauern Brandenburgs ist die Belieferung einzelner Gaststätten mit oft nur geringen Mengen unrentabel. Vor allem deshalb findet Kobusch die neue Initiative seiner Berliner Kollegen „sinnvoll“.
Wie berichtet, haben sich sechs Berliner Spitzenköche, darunter etwa Marco Müller von der Weinbar Rutz in Berlin-Mitte, unter dem Motto „Koch sucht Bauer“ zusammengetan, um den Erzeugern im Berliner Umland den Lieferweg schmackhafter zu machen. Sammelbestellungen und garantierte Abnahme sollen Obst- und Gemüsebauern, Biolandwirte und Züchter seltener alter Nutztierrassen motivieren, ihre Waren in die Restaurants zu liefern, anstatt sie nur im eigenen Hofladen oder auf dem Wochenmarkt zu verkaufen. „Was wir brauchen, sind Kontinuität und zuverlässige Partner“, sagt Küchenchef Müller.
Aus Sicht des Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg (Dehoga) legt der Berliner Appell „den Finger in die Wunde“. „Das Thema ist nicht neu. Brandenburgs Köche haben das Problem genau so. Es gibt einfach keine Lieferantenstruktur“, sagt Verbandshauptgeschäftsführer Olaf Lücke. „Unsere Gastronomen sind bei ihrem Arbeitspensum nicht in der Lage, auch noch über das Land zu fahren, um geeignete Produkte zu suchen.“ Schuld ist nach Lückes Meinung auch das Konsumverhalten in Deutschland. „Bei Lebensmitteln sind wir noch immer Billigheimer.“ In Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien sei dies anderes, glaubt Lücke. „Dort legen auch die Privatkunden viel mehr Wert auf regionale Produkte. Entsprechend sind die Vertriebskanäle besser entwickelt.“ Selbst hat der Dehoga deshalb ein Netzwerk gegründet, dem sämtliche Lebensmittelverbände angehören, vom Fischereiverband bis zur Vereinigung der Jäger. Zudem sollen künftig auf regelmäßigen „Lebensmittelbörsen“ in Berlin und Brandenburg Gastronome und Produzenten zusammengebracht werden.
Auch die Köche Brandenburgs wollen entgegenzusteuern. Zehn Küchenchefs des Landes, darunter auch Kobusch, gründeten im vergangenen Jahr die Initiative „Brandenburg unter Dampf“. Ein wesentliches Ziel ist es, die regionalen Erzeuger für die Gastronomie zu gewinnen. Allerdings, findet zumindest der Küchenchef des Vierseithofs, müssten auch die Köche selbst mehr Engagement zeigen. „Wenn man sich etwas bemüht, findet man auch kleine Anbieter mit Produkten in besonderer Qualität. Aber es ist in der Tat nicht einfach“, gibt er zu.
In der regionalen Biobranche etwa sind Nachschubprobleme und die Logistikschwäche seit Langem bekannt. „Die Gastronomie hat einfach andere Anforderung an Qualitätsstandards und Service. Wir arbeiten aber daran“, versichert Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Gemeinschaft Berlin-Brandenburg. Allerdings sei auch in der Gastronomie die Bereitschaft auf die Erzeuger zuzugehen, in der Vergangenheit gering gewesen. Um so mehr begrüße er die Initiative der Berliner Köche, sagt Wimmer.
Indes scheint die „Koch sucht Bauer“-Aktion bereits Früchte zu tragen. „Gerade hat sich bei mir eine Erdbeerzüchterin aus Brandenburg gemeldet und gefragt, ob man sich mal treffen könnte“, berichtet Marco Müller vom „Rutz“.
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