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Schauspielerin mit politischer Botschaft. Die Künstlerin May Skaf stammt aus Syrien und will bei der Aktion „Flüchtlinge fressen“ mitmachen. Am Montag kritisierte sie in einer Rede die deutsche Flüchtlingspolitik.

© Jens Kalaene/dpa

Brandenburg: Menschenopfer für Europa

Erste „Freiwillige“ für Künstler-Protest mit Tigern gefunden. Die Bundesregierung findet das zynisch

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Berlin - „Mit Gesetzen zu töten, ist das Werk von Feiglingen“, sagt May Skaf auf Arabisch. Im Hintergrund läuft die deutsche Übersetzung ihrer Rede auf einer Leinwand mit. Ihre Stimme zittert immer wieder. May Skaf erzählt unter Tränen, dass sie Schauspielerin in Syrien war, vor dem Bürgerkrieg. Jetzt will sie sich in einer Arena vor dem Maxim-Gorki-Theater in Berlin von Tigern fressen lassen, kommende Woche. Das verkündet sie am Montagmittag bei einer Pressekonferenz. Sie ist eine der angeblich sieben Freiwilligen, die sich laut dem Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) schon gemeldet haben sollen, um sich an der Aktion „Flüchtlinge fressen – Not und Spiele“ zu beteiligen. Die Aktivisten wollen eine Gesetzesänderung bewirken. Bisher müssen Fluglinien mit hohen Strafen rechnen, wenn sie Menschen ohne Einreiseerlaubnis befördern. Aus diesem Grund weichen viele Flüchtlinge auf das Mittelmeer aus.

Das ZPS will dieses Gesetz kippen, ein Antrag der Linksfraktion liegt bereits vor. Am Donnerstag, so fordern sie, soll der Bundestag darüber abstimmen, sagt Cesy Leonhardt vom Zentrum für Politische Schönheit. Nach Angaben des Bundestages soll eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses am Freitag dem Plenum vorgelegt werden.

Die Bundesregierung, so lautet eine weitere Forderung der Aktivisten, soll am Mittwoch in der Fragestunde um 13 Uhr bekannt geben, ob sie einen Flug von 100 syrischen Flüchtlingen von der Türkei nach Deutschland genehmigt. Das ZPS sammelt dafür gerade Geld. Der Flug „Joachim 1“ soll am 28. Juni stattfinden, behaupten die Aktivisten.

„Die geplante Aktion ist aus Sicht des Bundesministeriums des Innern unangemessen und zynisch“, heißt es in einer Stellungnahme des Innenministeriums. Es handele sich „um eine geschmacklose Inszenierung, die auf dem Rücken der Schutzbedürftigen ausgetragen werden soll“. Die gesetzlich vorgesehenen Einreisevoraussetzungen würden durch solche Aktionen nicht außer Kraft gesetzt. Der Bezirk Mitte droht laut „Bild“-Zeitung mit dem Abbau der Arena. Davon erfuhr das ZPS auch erst durch die Zeitung.

Bisher ist unklar, inwieweit welche Ankündigungen der vergangenen Tage wahr gemacht werden. Bis wirklich etwas passiert, werden die Tiger am Maxim-Gorki- Theater betreut, die Arena ist täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Zusätzlich wird das Stück „Not und Spiele“ am Theater aufgeführt und es gibt jeden Abend Diskussionsrunden.

May Skaf spricht am Montag etwa 20 Minuten auf der Bühne vor Medienvertretern. Sie appelliert an die Politik wie an die Zivilgesellschaft und erinnert an die deutsche Geschichte: „Stellen Sie sich vor, 1989 hätte die Regierung der DDR anders gehandelt. Stellen Sie sich vor, die Panzer, die bereitstanden, hätten ganze Stadtviertel in Trümmer geschossen.“ In Syrien sei genau das passiert. Über sich selbst spricht sie wenig, Nachfragen sind keine erlaubt. Sie sei gegen Assad gewesen und wurde eingesperrt, erzählt sie. Vielen ihrer Künstlerkollegen sei Gewalt angetan worden. „Ich selbst konnte in ein Nachbarland über die Berge fliehen, wie eine Kriminelle“, sie sei dann auf dem Landweg nach Deutschland gekommen. Auf der Wikipedia-Seite über sie steht, sie sei 2011 verhaftet worden und einige Tage im Gefängnis gewesen und sei ein Symbol der Revolution.

Sie habe nichts mehr zu verlieren, sagt sie. Darum habe sie sich gemeldet, um sich von Europa fressen zu lassen.

Im Saal bei der Pressekonferenz erwartet allerdings keiner der Besucher, dass am 28. Juni wirklich jemand gefressen wird. Das ZPS besteht weiter darauf: „Wer uns kennt und unsere Arbeitsweise, der weiß, dass wir halten, was wir versprechen“, hatte der Künstler Philipp Ruch bereits vergangene Woche gesagt. Es ist nicht die erste Aktion der Gruppe mit Schockeffekt: Beim vergangenen Mal riefen die Aktionskünstler unter dem Titel „Die Toten kommen“ dazu auf, Gräber vor dem Bundestag anzulegen, als Symbol für die Flüchtlinge, die auf ihrer Reise nach Europa ums Leben kommen. Am Ende ragten 100 Erdhügel mit Kreuzen auf der Wiese vor dem Bundestag auf.

Im Jahr davor stahlen sie zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die Gedenkkreuze für die Mauertoten in Berlin-Mitte und brachten sie an die EU-Außengrenzen. Außerdem bestatteten sie zwei Flüchtlinge in Berlin, die auf der Reise nach Europa gestorben sein sollen.

Die Tiger sollen nach Ende der Aktion in den Innenhof des Kanzleramtes, wünscht sich zumindest Philipp Ruch vom ZPS. Am Infotisch klingt das anders: Die Tiger kämen aus privatem Besitz aus dem Saarland. Auf den Tierschutz werde geachtet. Melanie Berger

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