Von Alexander Fröhlich: Mief aus dem Osten
Nahe dem Gästehaus der Bundesregierung soll eine Schweinemastanlage entstehen – das führt zum Streit
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Meseberg – In den Vorgärten sprießen Schneeglöckchen, der Hahn kräht und ein Traktor knattert durchs Dorf. Landleben pur 60 Kilometer nördlich von Berlin, man riecht es deutlich: Jetzt bringen die Bauern die Gülle auf die Felder, denn es ist Frühling und über Schloss Meseberg bläst ein kräftiger Nordost-Wind. Auf den kommt es an, auf die Richtung jedenfalls. Denn im Osten des Dorfes, einem Ortsteil der Stadt Gransee (Oberhavel) geht im Mai eine Schweinemastanlage mit 1450 Tieren wieder in Betrieb. 750 Meter weiter im Westen steht das Schloss, seit 2007 dient es der Bundesregierung als Gästehaus. Bei Ostwind weht Staatsgästen bald wohl ein beißender Duft um die Nase. Darüber ist nun ein Streit entbrannt, es geht um Befindlichkeiten zwischen Ost und West und um das Selbstverständnis eines Dorfes zwischen ländlicher Idylle und als repräsentativer Standort für die internationale Politik.
Hans Heinrich von Srbik stinken die Schweine schon jetzt gewaltig. Der Vorstandsvorsitzende der Messerschmitt-Stiftung sagt: „Wenn ich gewusst hätte, dass die Mastanlage hier entsteht, hätten wir nicht investiert.“ In den 1990er Jahren hatte die Stiftung das idyllisch am Huwenowsee gelegene Barockschloss mit Weinberg vom Land gekauft und für 25 Millionen Euro saniert, die Bundesregierung gab weitere15 Millionen Euro aus und nutzt es für einen symbolischen Euro im Jahr als Gästehaus. Frankreichs früherer Präsident Jacques Chirac war schon hier, ebenso George W. Bush, bis Januar noch US-Präsident.
Von Srbik fürchtet einen Imageschaden für das Schloss, der Visitenkarte der Bundesregierung. Man stelle sich nur vor, Gäste aus Israel oder islamischen Staaten würden mit der dort so verpönten Schweinerei konfrontiert – ein diplomatischer Affront. „Man kann nicht Staatsbesuche nach der Windrichtung planen“, sagt von Srbik. Nicht zu vergessen die drohenden Einnahmeverluste für das Nobelhotel, in das die Stiftung fünf Millionen Euro gesteckt hat.
Weniger prunkvoll sieht es im Osten aus, beim Schweinestall der Meseberger Landwirtschafts-GmbH. Geschäftsführer Dirk Schwarzbach versteht die Aufregung nicht. „Ich halte das für übertrieben. Wir leben auf dem Land, hier gibt es Tiere, da riecht es schon mal.“ Bis 2003 habe er die Schweinemast mit 2500 Tieren betrieben, aber wegen mieser Fleischpreise und beim zweiten Anlauf 2006 wegen der Dürre noch im gleichen Jahr ganz aufgegeben. Schon damals habe die Messerschmitt-Stiftung das Schloss saniert. „Wir waren vorher da, ich kann doch die Ställe jetzt nicht wegtragen.“ Auch um die elf Arbeitsplätze mit den Einnahmen zu sichern, habe er einen von mehreren Ställen an die Agrargenossenschaft Seebeck vermietet. Der Wind wehe „meist“ sowieso jeglichen Gestank vom Schloss weg – wenn er denn aus Westen kommt.
Ähnlich wie Schwarzbach denken einige in Meseberg, wie ein Besuch in der Kneipe zeigt. Selbst wenn niemand den Gestank mag: Dorf ist Dorf, Landluft gehört einfach dazu, lautet die Parole. Torsten Krause springt bei, als Landtagsabgeordneter der Linken macht er Stimmung gegen die vermeintlichen Bonzen, es klingt wie früher, Bauer gegen Großgrundbesitzer: „Man kann nicht von der Bevölkerung erwarten, dass sie mit Rücksicht auf Frau Merkel und Co. alle Aktivitäten einstellt, die einen daran erinnern könnten, dass man nicht in Berlin ist."
Thomas Strahl sieht das ganz anders: „Viele denken immer noch, wir sind ein ganz normales Dorf mit Landwirtschaft und so. Die begreifen gar nicht, dass das hier mit dem Schloss was ganz einmaliges ist.“ Der 44-Jährige nennt sich selbst „Ur-Meseberger“, spricht von neuen Zeiten, von Arbeitsplätzen in der Tourismusbranche. Einwohner hätten einen Job im Schloss oder Hotel gefunden, einige würden jetzt Ferienwohnungen ausbauen.
Kommen die Schweine, bleiben die Urlauber fern, glaubt Hans Heinrich von Srbik. Der Stiftungschef hofft nun auf Hilfe von oberster Stelle. Schließlich waren es der frühere Ministerpräsident Manfred Stolpe und dann sein Nachfolger Matthias Platzeck (SPD), die das Schloss-Projekt in Gang gebracht haben. „Als die Mastanlage beantragt wurde, hätten doch in Potsdam die Alarmsignale läuten müssen“, sagt der Stiftungschef und sieht die Landesregierung in Zugzwang. Für von Srbik ist klar: Entweder die Genehmigung wird verweigert, oder die Mastanlage muss weg, genügend Platz gebe es ja in Brandenburg. „In Bayern hätte es so etwas nicht gegeben“, sagt er, und dass hier viele immer noch im Osten leben und auch so denken. Da brauche sich niemand über ausbleibende Investoren wundern.
Mit dem Streit um die Schweinemast in „Riechweite“ zum Schloss befasst sich inzwischen die Potsdamer Staatskanzlei. Das Landesumwelt bereitet den Fall auf. Regierungssprecher Holger Drews betont, das Umweltministerium habe gerade einen Mitarbeiter extra für Vermittlungsgespräche abgestellt. „Das hat es aber schon gegeben - ohne Lösung“, erklärt von Srbik. Er hat mit dem Pächter des Stalls und einem dahinter stehenden Unternehmer aus Dänemark verhandelt. „Es gab Ideen, unter welchen Bedingungen auf die Schweinemast verzichtet wird, die kann ich nicht erfüllen.“ Und überhaupt würden mit dem Stall keinerlei Arbeitsplätze gesichert. „Die Tiere werden aus Dänemark hierher gebracht, gemästet und wieder zurückgebracht. Hier bleibt keine Wertschöpfung.“ Jährlich ginge es um 5000 Tiere. Dies sei keine Landwirtschaft sondern Massentierhaltung.
Im Landesumweltamt erntet der Stiftungschef für seine Angriffe auf angeblich ostdeutsche Befindlichkeiten und lahme Behörden ein müdes Lächeln. „Auch in Bayern gilt das Bundes-Immissionsschutzgesetz“, sagt ein Sprecher. Für die aus DDR-Zeiten stammende Betriebsgenehmigung bestehe bis Jahresende Bestandsschutz. Weil eine Genehmigung daher nicht nötig sei, könne diese auch nicht – wie von Srbik gefordert – verweigert werden. Und um den Gestank vom Bundesgästehaus fern zu halten, hat das Umweltamt weitaus schärfere Auflagen gemacht als üblich, abgedichtete Fenster und Türen etwa, Arbeiten an der Lüftung und eine abgedecktes Güllebecken.
Auch die Bewohner am östlichen Ortseingang können hoffen, für sie war der Gestank immer eine Plage. „Hier konnte man nicht mal die Wäsche zum Trocknen raushängen“, sagt einer. Dieser Tage kommt die deftige Landluft übrigens von der Gülle aus einem Rinderstall, seit Jahren genutzt und nur gute 300 Meter vom Schloss entfernt – Richtung Süd-Osten.
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