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Von Alexander Fröhlich und Peter Tiede: Minister Wunderlich

Helmuth Markov, bundesweit erster Linke-Finanzminister, hat vor sieben Wochen eine Haushaltssperre verhängt. Die Opposition, Fachleute in den Ministerien und seine Kollegen wundern sich seit dem

Stand:

Potsdam - Helmuth Markov, seit Herbst 2009 Deutschlands erster Finanzminister von der Linken, hat sich am gestrigen Mittwoch in den Urlaub verabschiedet. Zurückgelassen hat er ein Geheimnis: Nämlich auf welcher Grundlage er Anfang Juni in Brandenburg eine Haushaltssperre verhängt hat.

Bekannt ist, dass Markov zusätzlich zu dem im Etat für 2010 eingeplanten und über Neuverschuldung abgedeckten Loch ein weiteres gefunden zu haben glaubt: 460 Millionen Euro soll es groß sein, sagt der Minister. Zweimal hat sich der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages daran versucht, vom Minister eine plausible Antwort auf die Frage nach den Einzelpositionen, aus denen sich die Summe zusammensetzt, zu bekommen. Glaubt, man der Opposition von CDU, Grünen und der FDP und selbst Teilen der Regierungspartei SPD, dann war das Unterfangen jedes Mal erfolglos: Auch nach stundenlangen Kreuzverhören war den Abgeordneten nicht klar, wie Markov rechnet. Als der RBB nachfragte, speiste Markov, der von sich als Minister mitunter in der dritten Person zu sprechen pflegt, die Reporter mit der Feststellung ab, sie könnten gewiss sein, dass „der Minister weise entschieden“ hat. Von Fachleuten aus dem Regierungsapparat nach den Einzelheiten seiner Sperre befragt, malte er schon mal Zahlen und Berechnungen auf gelbe Klebezettel. Weil auch diese Ministerrechnung nicht verstanden wurde vom Fachpersonal, wiederholte er das Klebezettel-Prozedere gleich mehrfach – am Ende sehr laut. Gebracht hat es den Überlieferungen zufolge nichts – auch in den meisten Fachabteilungen der anderen Ministerien weiß man nicht, was Markov da errechnet hat.

Markov gilt selbst in SPD/Linke-Koalitionskreisen zunehmend als wunderlich. Zu Haushaltsberatungen auf Ministerebene, so berichten es Kollegen, bringe der Finanzchef schon mal fast komplett vorgefertigte Protokolle mit. Nachdem ihm der oberste Haushälter des Bildungsministeriums, ein als penibel bekannter Fachmann, der jahrelang Sprecher aller Haushälter der Regierung war, in einer Besprechung widersprach, habe Markov der Spitze des Bildungsressorts empfohlen, den Herrn zu feuern. Der Herr durfte bleiben, Minister und Staatssekretär halten ihn für unverzichtbar – besonders bei der verwirrenden Wirtschaft im Finanzressort. Aus dem Bildungsressort heißt es zur Haushaltssperre auch nur lapidar: „Wenn sie denn nachvollziehbar ist, könnte man damit leben ...“

Ein Ministerialer aus dem Infrastrukturbereich drückte es gegenüber den PNN so aus: „Die Haushälter in den Ministerien haben aufgehört, sich zu fragen, woher das Loch und die Sperre kommen – wir fragen uns nur noch, wann das endet.“

Dass die Fachleute in den anderen Häusern nicht so recht verstehen, was das Finanzministerium da zu einem neuen Haushaltsloch zusammengerechnet hat, schiebt das Finanzressort eher auf deren begrenzten Horizont. „Das kann schon sein, aber es ist eben unser Metier, die gesamte Haushaltslage zu betrachten“, sagte ein Sprecher.

Schon der Präsident des Landesrechnungshofes, Thomas Apelt, hatte seine Verwunderung über Loch und Sperre am 10. Juni in ein vergiftetes Lob gekleidet: Er habe zwar die Vermutung, dass zurzeit in der rot-roten Regierung niemand einen genauen Überblick über die Kassenlage des Landes habe, sagte er nach der Sitzung des Haushaltsauschusses, um aber nachzuschieben: „Wenn man selbst nicht genau weiß, worauf die Lücke zurückzuführen ist, ist es besser, die Notbremse zu ziehen.“

Während innerhalb der rot-roten Landesregierung weitgehend klar ist „dass die Sperre Mumpitz ist“, wie es Ministerialer ausdrückt, konnte nur knapp verhindert werden, dass das Finanzressort die Art der Berechnung komplett öffentlich macht. Auf eine frühere Anfrage der CDU zu Problemen bei der Landesagentur für Struktur und Arbeit (Lasa) und die Haushaltssperre hatte Markov ellenlang über seine – von Fachleuten als absolut unüblich bezeichnete – Berechnung referiert. Das Arbeitsministerium, das die Antwort zur Mitzeichnung bekam, strich etwa eine Passage zur Berechnung des Haushaltslochs, in der es hieß: „Da der Prognose keine Hochrechnungen je Einzelfall zugrunde liegen, können deshalb auch grundsätzlich auch keine einzelnen Haushaltspositionen benannt werden, die für den prognostizierten Fehlbetrag am Jahresende verantwortlich sind.“

In einer weiteren Anfrage hatte die CDU nun den Minister nochmals nach dem Haushaltsloch gefragt. In der Antwort, die Fraktion die in dieser Woche erhalten hat, ist nichteinmal eine Zahl darüber zu finden, wie viele Gelder nun eigentlich gesperrt sind. Die CDU hat – wie andere auch – aus der Antwort des Ministers herausgelesen, dass es sich um Investitionen in Höhe von 103 Millionen Euro handelt. 24 Stunden später legte Markov gestern Wert darauf, dass es sich um 20 Millionen handelt – eine Zahl, die nirgends steht (siehe Kasten).

Der CDU-Finanzexperte Dierk Homeyer hat nach all der Fragerei und den Antworten des Ministers genug. „Es wird immer kruder.“ Homeyer kommt schließlich zu dem Schluss: „Der Minister scheint gaga zu sein und in einem haushalterischen Paralleluniversum zu leben.“ Anders ließe sich „diese finanzpolitische Geisterfahrt nicht mehr erklären“. Homeyer forderte „die sofortige Aufhebung der Haushaltsperre. Es sei denn, der Minister kann doch noch eine nachvollziehbare, seriöse Haushaltsrechnung vorlegen, die das markovsche Loch auch für andere Menschen nachvollziehbar“ mache. „Dieses „Mysterium“, so Homeyer, „gehört aufgelöst.“

Auf die Frage, was er in seinem Urlaub vor allem machen will, hatte Markov kürzlich geantwortet: „Nur in Ruhe lesen.“

Ministerkollegen empfehlen ihm ihre letzten Zahlen: Zum 30. Juni haben sie in ihren Ressorts das erste Halbjahr abgerechnet. Die Botschaft fast aller Häuser: Voll im Plan. Kein Loch. Nirgends.

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