Von Thorsten Metzner: „Mit denen nicht“
Der Ton zwischen Linken und SPD wird rauer. Vor der Wahl 2004, die zur SPD-CDU-Koalition führte, begann der Wahlkampf ähnlich
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Potsdam - Es war eher still um Brandenburgs Linke geworden, nachdem die Aufstellung ihrer Listen für die Landtags- und Bundestagswahl am 27.September von Personal-Querelen begleitet war: Doch jetzt versucht die 20-jährige Oppositionskraft wieder aus der Defensive zu kommen. Am Sonntag soll in Potsdam das Wahlprogramm verabschiedet werden. Schon vorher verschärft die Linke ihre Kritik an den von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten Sozialdemokraten. Einen Vorgeschmack lieferte Bundestags-Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann am Montag vor Journalisten. Ein rot-rotes Bündnis sei nach der Wahl 2004 nicht am Veto der SPD gescheitert, „es war die Linke die gesagt hat: Mit denen nicht“, erklärte Enkelmann, heute parlamentarische Linke-Geschäftsführerin im Bundestag, die damals als Spitzenkandidatin den Anti-HartzIV-Wahlkampf verantwortete. Dieser hatte das Verhältnis von SPD und Linken im Lande nachhaltig belastet. Die Linke wolle „heute wie damals“ einen Politikwechsel, fügte Enkelmann hinzu. Es liege im Herbst wieder an der SPD, „ob es dazu kommt.“
Ähnlich scharf äußerten sich auch andere märkische Linke-Bundestagsabgeordnete, die gestern eine einwöchige Sommertour durchs Land starteten. So diagnostizierte der frühere Bundesrichter Wolfgang Neskovic, Vize-Chef der Bundestagsfraktion, bei der Justiz in Brandenburg angesichts personeller Überlastung eine „trostlose Situation“. In keinem anderen Land würden Menschen, die Recht suchten, „so im Stich gelassen“ wie hier. Den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier nannte Neskovic einen „permanenten Rechtsstaatsversager“, wegen seiner Rolle im Fall des deutschen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz. Angesichts zu niedriger Milchpreise sprach die Abgeordnete Kirsten Tackmann wiederum von „alarmierenden Zuständen“ in der Landwirtschaft und warnte vor möglichen gewaltsamen Bauern-Protesten. Und die Abgeordnete Diana Golze wies auf die schlechte Betreuungssituation in Brandenburgs Kindertagesstätten hin. „Es kommt nicht oft vor, dass Ministerpräsident Matthias Platzeck ausgepfiffen wird.“ Die von SPD und CDU angekündigte Anhebung des Kita-Betreuungsschlüssels stelle lediglich den Zustand wieder her, den es schon einmal gab – vor den rot-schwarzen Spargesetzen. Landtags-Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser, die die Einigkeit von linker Bundes- und Landespolitik betonte, äußerte sich moderater. Die Linke werde einen Wahlkampf mit „Sachlichkeit und Kompetenz“ führen. Zum jüngsten Lügen-Vorwurf an die Adresse der Linken durch Platzeck sagte sie nur: Sie habe „ein gewisses Verständnis“, dass Platzeck manchmal „emotional regiert“. Bei Enkelmann hörte sich das so an: „Dem Ministerpräsidenten gehen die Argumente aus. Er ist nervös.“ Dennoch gibt sich auch die Landtags-Opposition kämpferischer. In einer Bilanz-Hochglanz-Broschüre zur Arbeit in dieser Legislatur, die heute vorgestellt werden soll, konstatiert man Defizite in allen Bereichen das Landes. „Die Verhältnisse in Brandenburg sind in den letzten Jahren nicht gerechter geworden“, schreibt Kaiser dort. Soziale Risiken im Land hätten zugenommen, die öffentliche Daseinsvorsorge sei gefährdet. „Große Teile des Landes leiden weiter unter Abwanderung, wirtschaftlicher Schwäche und mangelnder Zuwendung durch die Landespolitik.“ Die Linke habe ein Sozialticket durchgesetzt, das Bewusstsein für all die Probleme geschärft. Im Parlament war die Linke zumindest die fleißigste Fraktion: Laut Bilanz stellte sie 23 Große Anfragen (SPD und CDU: 4), 238 Anträge (SPD und CDU: 84, Regierung: 14) und 1233 Kleine Anfragen (SPD: 671, CDU 428). Ob dies samt neuer Bissigkeit hilft, um nach 20 Jahren Opposition ab Herbst mitzuregieren, ist fraglich. In der SPD hält man sich Rot-Rot zwar offen. Doch reagieren Platzeck und andere Genossen zunehmend „genervt“ auf die Attacken von Links – obwohl der Wahlkampf noch gar nicht begonnen hat.
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