Brandenburg: Muss das BER-Terminal umgebaut werden?
Brandschutzanlage ist offenbar fehlkonstruiert. Empörung über Aufsichtsrat wegen Schallschutz.
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Potsdam - Im nicht fertigen Fluggast-Terminal des neuen Hauptstadtflughafens BER stehen möglicherweise größere Umbauarbeiten an. Grund ist ausgerechnet die umstrittene Brandschutzanlage, die bereits maßgeblich zur Verschiebung der für den 3. Juni 2012 geplanten Eröffnung geführt hatte. Wie ein hochrangiger Vertreter der Flughafengesellschaft den PNN sagte, muss die bereits zu 95 Prozent montierte Brandschutzanlage zwar nicht ausgebaut werden, aber die Kabeltrassen der Anlage sind teilweise überbelegt, was Umbauten erforderlich machen könnte.
Es ist eine hochkomplexe Anlage mit 10 000 Brandmeldern und 48 000 Sprinklerköpfen. Neben der zentralen Steuerung gibt es neue Probleme. Die Schacht- und Rohrsysteme, in denen die Kabel der Anlage verlegt sind, waren auf eine Belastung von höchstens 80 Kilogramm Gewicht ausgelegt. Mittlerweile sei man aber stellenweise bei 130 Kilogramm. Deshalb müssen voraussichtlich neue Trassen eingebaut werden, was wiederum zur Folge haben könnte, dass bereits eingezogene Zwischendecken herausgerissen und tiefergehängt werden müssen. Außerdem müsse geprüft werden, ob es dadurch zu Kollisionen mit anderen Schächten oder Sprinkleranlagen kommt. Derzeit sei deshalb nicht seriös zu sagen, ob der 17. März als Eröffnungstermin zu halten sei, hieß es.
Der Aufsichtsrat hatte am Freitag neun Stunden wegen der Probleme mit dem Bau sowie steigenden Kosten in Richtung von 4,6 Milliarden Euro getagt und verkündet, dass man in den nächsten sechs Wochen prüfen werde, ob der Termin zu halten sei. Zwar halten die Flughafengesellschaft (FBB) und ihre Eigner, also die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund, weiter am 17. März 2013 trotz Zweifeln der Bauaufsicht als „angestrebten“ Eröffungstermin fest, wie Aufsrichtsrat Chef und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte. Er kündigte aber an, dass bis Mitte August „überprüft“ werden soll, wann genau der Airport eröffnet werden kann. Eine neue Verschiebung schloss Wowereit nicht aus.
Die Termin-Klärung wird eine der ersten Aufgaben für den neuen Flughafen-Krisenmanager sein: Als Technik-Geschäftsführer wurde Horst Amann, bisher Chefplaner des Flughafens Frankfurt am Main, bestellt. Man habe „hoffentlich einen durchsetzungsstarken Manager gefunden, der die Probleme lösen kann“, sagte Wowereit. Amann soll seinen Dienst zum 1. August antreten. Er tritt die Nachfolge für Ex-Geschäftsführer Manfred Körtgen an, der wegen des Eröffnungsdebakels gefeuert wurde. Er „freue sich auf die neue Aufgabe“, sagte Amann
Aus Kreisen der Flughafengesellschaft heißt es aber, dass es derzeit kein K.-o.-Kriterium für den Flughafen gebe. Auch die für den Bau zuständigen Firmen haben sich nach Auskunft von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Sitzung zuversichtlich zur Einhaltung des Termins geäußert. „Niemand erwartet ein No-Go“, hieß es.
Allerdings geraten nun die Kosten völlig außer Kontrolle. Der Hauptstadt-Flughafen Willy Brandt wird voraussichtlich rund 4,6 Milliarden Euro kosten, knapp 1,2 Milliarden Euro mehr als bisher im Budget. Auf diese Gesamtsumme beziffern sich Mehrkosten und Risiken beim neuen Flughafen, die am Freitagabend auf einer Pressekonferenz von Aufsichtsratschef Klaus Wowereit, seinem Vize Matthias Platzeck (beide SPD) und Flughafenchef Rainer Schwarz nach einer mehr als neunstündigen Sitzung des Aufsichtsrates in Schönefeld bekannt gegeben wurden.
Allein die Kosten für die Verschiebung, bislang auf 150 Millionen Euro geschätzt, beziffert der Aufsichtsrat auf 110 Millionen Euro. Beim Schadenersatz sind fünf Millionen Euro unstrittig, für weitere Forderungen von Fluggesellschaften, Deutscher Bahn und anderen muss laut Schwarz mit 195 Millionen Euro Vorsorge getroffen werden. Und die Baukosten für den BER, zuletzt bei 2,99 Milliarden Euro, steigen um weitere 276 Millionen Euro. Bis August solle der Flughafen Vorschläge machen, wie der Kapitalbedarf von 586 Millionen Euro gedeckt werden soll, sagte Wowereit. Die FBB müsse „einen Eigenanteil“ leisten.
Größtes Finanzrisiko ist der Schallschutz. Habe das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Berlin-Brandenburg Bestand, werde das zusätzlich zu den bisher veranschlagten 157 Millionen Euro weitere „591 Millionen Euro, also 600 Millionen Euro kosten“, sagte Wowereit. Dann gäbe es den „höchsten Standard der Republik“, würden 85 Prozent der Betroffenen keinen Schallschutz erhalten, sondern müssten mit 30 Prozent des Verkehrswertes entschädigt werden. Der Flughafen soll daher versuchen, juristisch dagegen vorzugehen, wobei die Erfolgsaussichten als gering eingeschätzt werden. Der Antrag, den Planfeststellungsbeschluss zu ändern, wird vorerst nicht zurückgezogen.
Flughafenchef Schwarz sagte, er erwarte vom Brandenburger Verkehrsministerium in Kürze den Bescheid, das OVG-Urteil sofort zu vollstrecken, woran man sich halten müsste. Das OVG hatte das bisherige Lärmschutzprogramm für rund 20 000 Anwohner des Tag-Schutzgebietes um den BER als „systematischen Verstoß“ gegen den Planfeststellungsbeschluss gekippt, weil die FBB die Schallschutz-Anlagen zu gering dimensionierte. Der im Eil-Beschluss festgelegte Standard geht noch über die Auflagen des brandenburgischen Verkehrsministeriums hinaus, die der Flughafen allerdings missachtet hat. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft „derzeit vier Strafanzeigen betroffener Anwohner im Zusammenhang mit der bisherigen Lärmschutzpraxis“, bestätigte Sprecher Helmuth Lange den PNN. Betroffene werfen dem Flughafen Betrug vor.
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