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Brandenburg: Nach Kritik an der Hochschule kam die erste Kündigung

Ingo Karras kämpft um seinen Job. In einem offenen Brief fordern seine Unterstützer jetzt Hilfe von Platzeck

Von Matthias Matern

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Senftenberg - Mehrfach hatte er auf Defizite im Umgang mit Behinderten an der Hochsschule Lausitz hingewiesen, dann bekam Ingo Karras die erste von vier Kündigungen. Nun machen sich Prominente wie der behinderte Cottbuser Leistungssportler Ronny Ziesmer, Vertreter der Juso-Hochschulgruppe, der Piratenpartei und von Attac für den Mitarbeiter der Senftenberger Hochschule stark. In einem offenen Brief, der am Mittwoch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) übergeben werden soll, bitten sie den Regierungschef, „regulierend einzugreifen“. Auch der Linke-Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch kritisierte die Hochschule am Dienstag scharf.

Der Streit zwischen Karras, der zuletzt unter anderem Projektkoordinator am Zentrum für barrierefreies Studium in Senftenberg war, und der Hochschule erstreckt sich den Verfassern des offenen Briefes zufolge bereits über ein Jahr. Anfang 2012 habe Karras demnach moniert, dass der Dekan für den Bachelorstudiengang Physiotherapie schriftlich mitgeteilt habe, er wolle keine Studenten mit einer Sehbehinderung mehr zulassen. Dabei hatte die Hochschule nach PNN-Informationen in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich blinde oder sehbehinderte Studenten aufgenommen. Ferner hatte Karras den Angaben zufolge kritisiert, dass es zwischenzeitlich an der Hochschule keinen Behindertenbeauftragten gegeben habe – eigentlich ein Standard an deutschen Hochschulen. Schließlich hatte Karras dem offenen Brief zufolge noch bemängelt, dass laut der Prüfungsordnung der Hochschule Studenten mit einer Behinderung auf eigene Kosten ein ärztliches Gutachten vorlegen müssen, sollten sie bei einer Prüfung auf den sogenannten Nachteilsausgleich, etwa technische Hilfsmittel, bestehen. Im November erhielt Karras die erste Kündigung.

Mittlerweile hat die Hochschule angeblich alle der von Karras angekreideten Misstände aufgehoben, die Kündigungen aber nicht zurückgenommen. Bereits mehrfach war der Fall auch Thema im brandenburgischen Landtag. Karras selbst will sich mit Verweis auf die laufende Kündigungsschutzklage nicht äußern, ebenso die Hochschule. Nachdem im vergangenen Dezember ein Termin für eine gütliche Einigung erfolglos blieb, war in der vergangenen Woche der erste Verhandlungstermin vor Gericht wegen Krankheit des Richters abgesagt worden. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Kritik am Umgang mit Karras seitens der Hochschule übt auch der behindertenpolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Landtag, Jürgen Maresch. „Mich ärgert, dass die Hochschule einem Mitarbeiter, der sich nur für die Belange Behinderter eingesetzt hat, viermal kündigt“, sagte Maresch am Dienstag. Von Platzeck erwarte er, dass dieser nun zumindest eine moderierende Rolle einnimmt und die Parteien an einen Tisch holt. Zumal Forschungsministerin Sabine Kunst (parteilos) ihm in einer Antwort auf eine Anfrage bereits erklärt habe, der Fall sei allein Sache der Hochschule, da könne man sich nicht einmischen.

Nahe liegt, dass es sich Kunst nicht mit dem Präsidenten der Hochschule, Professor Günter Schulz, verscherzen will, gilt Schulz doch als Befürworter der höchst umstrittenen Fusion mit der Brandenburgischen Technischen Universität Lausitz (BTU). Für Maresch aber ist das Verhalten völlig inakzeptabel: „Hier wird offenbar einer als mahnendes Beispiel für andere diszipliniert.“ Matthias Matern

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