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Brandenburg: Neues Kita-Gesetz auf dem Prüfstand

Rechtsanspruch für jedes Kind / Experte der Freien Universität Berlin schlägt „Gütesiegel“ vor

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Potsdam - Für Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) muss Brandenburg eigentlich ein Kita-Musterländle sein. Fast nirgendwo sonst in Deutschland ist das Netz an Kindertagesstätten so dicht wie hier, wo fast jedes Kind im Alter von drei bis sechs Jahren (97,7 Prozent) wie einst zu DDR-Zeiten einen Kindergarten besucht. „Aber die pädagogische Qualität der Einrichtungen kann nicht befriedigen. Sie ist im europäischen Vergleich allenfalls gutes Mittelmaß“, sagte Professor Wolfgang Tietze, Spezialist für Kleinkindpädagogik an der Freien Universität in Berlin, gestern in einer Anhörung im Landtag. Auf dem Prüfstand von Experten stand dort das neue Kita-Gesetz, das vor der Sommerpause beschlossen werden soll. Die SPD/CDU-Koalition will damit zum einen vor einigen Jahren beschlossene Einschränkungen des Kita-Rechtsanspruchs für Kinder von arbeitslosen Eltern zumindest teilweise rückgängig machen. Künftig sollen Kinder nicht mehr aus der Kita fliegen, wenn Eltern plötzlich arbeitslos werden. Denn Kinder arbeitsloser Eltern, so die bisherige Rechtslage, haben keinen Kita-Rechtsanspruch. Zum anderen will die Koalition die Qualität der Betreuung in den Einrichtungen verbessern, in dem künftig unter anderem ein Jahr vor der Einschulung verbindlich das Sprachvermögen jedes Kindes getestet werden soll – und bei Defiziten spezielle individuelle Förderungen geplant sind. Das gehört zu den nach dem schlechten Abschneiden des Landes bei den PISA-Studien eingeleiteten Reformen.

Zwar wurden beide Intentionen einhellig begrüßt, von Kommunalverbänden, der Lehrergewerkschaft (GEW) oder Praktikern. Trotzdem hagelte es auch Kritik an Defiziten, der mangelnden Finanzausstattung durch das Land, aber auch an zu unverbindlichen Vorgaben. So mahnte der FU-Bildungsexperte Tietze „landesweit einheitliche Standards und Verfahren an“, um die Qualität der Kitas zu prüfen und zu sichern. Denkbar sei eine Art „Gütesiegel“, so Tietze. Wenn man dies den Kreisen, den Trägern oder den Einrichtungen selbst überlasse, führe das zu einem „Desaster“. Tietze forderte auch, nach einem Zufallsprinzip jedes Jahr in einem Kreis eine bestimmte Anzahl von Kitas zu untersuchen. Auch die Eltern hätten ein Recht zu wissen, wie es um eine Kita stehe. Er empfahl zudem, langfristig sogar die Höhe von Zuwendungen von den Ergebnissen solcher Checks abhängig zu machen.

Aus fachlicher Sicht wäre es zudem besser, die Sprachtests nicht erst ein Jahr, sondern zwei Jahre vor Einschulung durchzuführen und auf alle Kinder dieses Jahrgangs - auch außerhalb von Kitas – auszudehnen, ergänzte GEW-Landeschef Günther Fuchs. So plane es Brandenburgs Partnerland Nordrhein-Westfalen. „Sonst gibt es eine soziale Ausgrenzung“. In Brandenburg ist ein früherer Sprachtest aus Kostengründen bislang nicht vorgesehen. Schon um die Finanzierung der jetzt geplanten Bildungsleistungen der Kitas und des erweiterten Rechtsanspruchs wird heftig gestritten und zwischen Land, Kreisen und Kommunen gefeilscht. Landkreistag und Gemeindebund kritisierten, dass die 3,6 Millionen Euro für 2007 und vier Millionen Euro 2008, die das Land zusätzlich ausgeben will, bei weitem nicht ausreichen würden. So habe Brandenburg seine Kita-Ausgaben von 128 Millionen Euro im Jahr 2001 bereits auf 122 Millionen Euro im Jahr 2005 zurückgefahren, obwohl in den Kitas die Zahl der Kinder im gleichen Zeitraum von 123 000 auf 129 000 stieg. Eine aktuelle Untersuchung des Innenministeriums in den vier großen Städten Potsdam, Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder) kommt zum gleichen Ergebnis. Danach gab das Land 11 Prozent weniger Geld für Kitas, während die Städte ihre Ausgaben um 5,5 Prozent erhöhten.

So mahnte nicht nur GEW-Landeschef Günther Fuchs, dass man nur durch kleinere Gruppen eine bessere Betreuung der Kinder erreiche. Aus Sicht von Fuchs hat das neue Kita-Gesetz noch einen kardinalen Webfehler: Es berücksichtige nicht die „wachsenden Disparitäten“ im Land zwischen den berlin-fernen, immer dünner besiedelten Regionen und dem einwohnerstarken Umland. Nötig seien flexible, differenzierte Instrumente „anstatt landesweite Durchschnittsvorgaben“.

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