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Kommunikationsstrategie: Neuruppiner Lehren

Es war ein Schlag gegen Rechtsextremisten in Neuruppin mit Folgen, jetzt stellen sich Brandenburgs Sicherheitsbehörden auf noch mehr Großeinsätze bei Neonazi-Aufmärschen ein.

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Potsdam - Bislang waren es nur vier. Jetzt aber wollen Rechtsextremisten an mehreren Wochenenden in gleich fünf Brandenburger Städten aufziehen.

Sie wollten angeblich nur feiern an diesem Samstagabend vor eineinhalb Wochen. 43 Menschen waren in die Kleingartenanlage in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) gekommen. Doch Beamte des Staatsschutzes entdeckten unter ihnen mindestens zehn bekannte Rechtsextremisten. Bereits im November hatte die Polizei ein ähnliches Treffen in dem Garten beendet. Wegen des Verdachts auf verbotene Musik und verfassungsfeindliche Symbole forderten die Beamten auch nun wieder weitere Einsatzkräfte an. Mit einem Großaufgebot wurde das Treffen aufgelöst. Tags darauf aber meldeten sogenannte „Nationale Laubenpieper“ als Reaktion auf den Einsatz für den 14. April einen Protestaufmarsch durch Neuruppin gegen das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen „nationale Jugendliche“ an.

Für Brandenburgs Polizei sind die fünf Neonazi-Aufmärsche eine Belastungsprobe. Polizeipräsident Arne Feuring sprach von einer erheblichen Belastung für die Sicherheitsbehörden. Am kommenden Samstag wollen Kameradschaften und NPD für einen deutschen EU-Austritt demonstrieren. „Grenzen dicht“, lautet das Motto des Aufmarsches unmittelbar an der Grenze zu Polen. Die „Frontstadt“ Frankfurt (Oder) müsse vor „schädlichen Elementen“ geschützt werden, heißt es in dem Aufruf. Als Redner ist NPD-Vizechef Udo Pastörs angekündigt. Bereits am Wochenende darauf ist ein Aufmarsch in Brandenburg/Havel geplant. Am 14. April folgt die neu angemeldete Demonstration in Neuruppin. Für den 1. Mai ist ein Aufmarsch der Freien Kräfte in Wittstock angemeldet, in Cottbus am 12. Mai.

Vor Ort haben mehrere Bündnisse und Kommunalpolitiker vielfältige Proteste gegen die Neonazis angekündigt – darunter auch Blockaden. Polizeipräsident Feuring, aber auch Innenminister Dietmar Woidke (SPD) wollen ein Desaster wie in Neuruppin im vergangenen September auf jeden Fall vermeiden. Dort hatte die Polizei hart durchgegriffen und eine Blockade von Gegendemonstranten geräumt. Im Anschluss kesselte die Polizei rund 300 Teilnehmer bis zu fünf Stunden lang ein, um deren Personalien aufzunehmen. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen sie wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Nötigung. Polizei und Innenministerium mussten für den umstrittenen Einsatz heftige Kritik einstecken, zumal die Polizei bei früheren Blockaden, wenn stets auch Mitglieder der Landesregierung wie in Halbe dabei waren, nicht eingeschritten war.

Innenminister Dietmar Woidke (SPD) verteidigte den Einsatz in Neuruppin zwar als „rechtmäßig und geboten“, räumte zugleich aber Mängel bei Kommunikation, Logistik, der langen Dauer der Identitätsfeststellung und der Versorgung der Teilnehmer ein. Polizeipräsident Feuring hatte von einer „Chaosphase“ bei dem Einsatz, „erheblichen Kommunikationsschwierigkeiten“ und taktischen Fehlern gesprochen.

Feuring setzt nun auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen Polizei und Neonazi-Gegnern. „Das Stichwort ist Kommunikation vorher und währenddessen. Es geht um vernünftige Kooperationsgespräche, um klar zu informieren.“ In Cottbus habe sich dies bei einem NPD-Aufmarsch bereits bewährt. Dort gab es gleich sechs Blockaden, jedes Mal lösten die Demonstranten diese nach drei Aufforderungen der Polizei auf. Das Ergebnis: Der Neonazi-Aufzug kam mehrmals ins Stocken.

Auch Brandenburgs Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus will Lehren aus der Neuruppiner Räumung ziehen. Eine Arbeitsgruppe erarbeitet Vorschläge für Bündnisse und Bürger, wie sie gegen Neonazis protestieren können – auch mit Blockaden. Vor Ort herrsche Beratungsbedarf, hieß es. Eine neue Internetseite fasst Ratschläge zum Verhalten bei Demonstrationen zusammen, dokumentiert rechte Aufmärsche und bietet eine Debatte über das Reizthema Blockaden.

www.demos-gegen-nazis.de

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