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Von Alexander Fröhlich: Nicht härter nachgefragt

Im Stasi-Fall Siebert agierte FDP-Fraktionschef Goetz zögerlich

Stand:

Potsdam – Es sind alte Verdachtsfälle: Rainer Siebert, bis gestern Schatzmeister der Landes-FDP in Brandenburg, und Alfred Pracht, Wahlkreismitarbeiter in Cottbus, sollen als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) für die Staatssicherheit tätig gewesen sein. Aber Fraktionschef Hans-Peter Goetz und Generalsekretär Andreas Büttner kommt das alles höchst ungelegen, der Landtagsbeschluss zur Enquete-Kommission für die DDR-Aufarbeitung steht bevor, nach einer zweitägigen Fraktionsklausur wollten sie am Mittwoch ihre Agenda für die nächsten Jahren vorstellen. Stattdessen herrschte Erklärungsnot, denn zumindest der gestern Morgen per Email zurückgetretene Siebert beschäftigt die Partei schon eine Weile, auch wenn sich Goetz, einst selbst SED-Mitglied, „menschlich enttäuscht“ zeigte. Selbst Grünen-Landeschefin Annalena Baerbock wunderte sich, warum die Liberalen erst jetzt aktiv geworden sind. Denn seit 19. Februar ist die Akte Siebert bekannt, als die PNN berichteten, „bei der Überprüfung des ersten Landtages wurde nach nicht nachvollziehbaren Kriterien geurteilt“. Goetz vertraute aber Sieberts wiederholter Erklärung von 1991, wonach er „niemals Personen belastet oder denunziert“, nie eine Verpflichtungserklärung abgegeben und nie Berichte angefertigt habe. Nun bedauerte Goetz, dass er „nicht früher schon härter nachgefragt“ hat, Sieberts Erklärungen seien „offenbar nicht haltbar“.

Der entscheidende Schritt kam von Landesparteichef Heinz Lanfermann, er las am Dienstagabend im Bundestag Sieberts Stasi-Akte, „es gab „intensive Gespräche“, „die Partei hat sehr schnell reagiert“, sagte Generalsekretär Büttner. „Wer andere denunziert hat, gehört in kein Spitzenamt, auch in kein Ehrenamt“, ergänzte Goetz.

Dabei war Siebert für die FDP nach 1990 ein Schwergewicht, das „allseits geschätzte Arbeit“ leistete. In der ersten Legislaturperiode hatte er als Fraktionschef mit dem früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) den Ampel-Koalitionsvertrag ausgehandelt. 1992 gab er wegen der Vorwürfe zumindest den Fraktionsvorsitz ab. Wie auch die Ehrenkommission prüften Landespartei und Bundesvorstand damals Sieberts Akte, sahen aber keinen Grund einzuschreiten. Das ist 19 Jahre her, für Büttner ist klar: „Wir müssen diese Sachen heute neu bewerten.“ Goetz sagte zur Stasi-Überprüfung, es sei offenbar „nicht ausreichend, was 1991 gewesen ist“. Tatsächlich hatten die beiden Vertrauensleute – der Evangelischen Superintendenten Günter Bransch und der katholischen Monsignore Heinz Ducke – in ihrem Abschlussbericht geschrieben, Siebert habe „keine brauchbaren Informationen gegeben“. Dabei waren die Kriterien der Kommission laut Grünen-Fraktionschef Axel Vogel „so weit gefasst worden, dass niemand hängen bleiben konnte“.

Wie aus Sieberts Stasi-Akte hervorgeht, wurde er als Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IMS) geführt. 1970 hatte er sich „zur Hilfe und Unterstützung des MfS“ „per Handschlag“ verpflichtet. Auch eine „Schweigeerklärung“ unterzeichnete er. Laut Treffberichten denunzierte „IMS Alfred Seske“ 1972 als Soldat bei den Grenztruppen Kameraden, berichtete über Postkontakte und wie sie Westradio hörten. Als er es auf den begehrten Posten des Kompanieschreibers geschafft hatte, bemerkte die Stasi sinkende Bereitschaft, die Zusammenarbeit wurde beendet.

Weniger klar ist der Fall Alfred Pracht, es gibt keine Akte für den 64-Jährigen, eine 1991 bekannt gewordene Registrierungskartei ist bei der Stasiunterlagenbehörde unauffindbar. Der Lausitzer Bundestagsabgeordnete Martin Neumann (FDP), damals selbst im Landtag, sagte, es gäbe keine neuen Erkenntnisse über seinen Wahlkreismitarbeiter in Cottbus. Anfang der 1990er war Pracht Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtags-FDP. Den PNN sagte er, er habe in den frühen 1980er Jahre im Cottbuser Bezirksvorstand der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) nur dienstliche Kontakte zur Stasi gehabt. „Ich war zur Zusammenarbeit verpflichtet, es gab keine konspirativen Gespräche.“

Die Landes-FDP will das alles beim Parteitag am 27. März in Eberswalde (Barnim) „sehr intensiv aufarbeiten“.

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