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Mit wenig zurecht kommen müssen immer mehr Brandenburger.

© Sebastian Willnow/dpa

Offener Brief an Woidke: Verbände fordern Brandenburger Sozialgipfel

Unter anderem mit einem Härtefallfonds sollen Hilfen aus dem geplanten Entlastungspakets des Landes gezielt bei Betroffenen ankommen. Ein Bündnis warnt vor der Gefährdung des sozialen Friedens.

Brandenburgs Sozialverbände wollen bei der Ausgestaltung des Brandenburger Hilfspakets zur Entlastung in der Energiekrise mitreden. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) fordern sie die Einberufung eines Sozialgipfels, „um mit in dieser Krise wichtigen, gesellschaftlichen Akteuren Antworten auf die Ängste und Fragen der Menschen in Brandenburg zu finden“.

Kommunen, Land, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Kirchen, aber auch die Verbraucherzentralen sowie Wohnungsbaugesellschaften und Energieunternehmen sollten gemeinsam beraten, wie die Hilfe konkret aussehen kann, erklärte der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Brandenburg, Andreas Kaczynski, am Montag in einem Pressegespräch.

Bündnis warnt vor Gefährdung des sozialen Friedens

„Wir erwarten, dass Brandenburg dafür sorgt, dass in diesem Winter niemand aus seiner Wohnung geworfen wird oder den Strom abgedreht bekommt“, so Kaczynski, der auch Sprecher der Landesarmutskonferenz ist.

„Wir erwarten auch weitere Hilfen für die vielen niedrigschwelligen Beratungsangebote wie Schuldnerberatungsstellen, Allgemeine Sozialberatungsstellen, Begegnungszentren, Selbsthilfekontaktstellen oder Tafeln, zum Beispiel durch Reduzierung der für die Finanzierung vorgeschriebenen Eigenanteile auf ein realistisches Maß.“

Zudem sollte nach Ansicht der Sozialverbände der bürokratische Aufwand für die Beantragung von ergänzenden Hilfen ebenso wie die überaus lange Bearbeitungsdauer umgehend reduziert werden. „Ein Sozialgipfel wäre ein wichtiges, sichtbares Zeichen an die Menschen im Land, dass sie nicht allein gelassen werden, sondern das Brandenburg Solidarität zeigt“, so Kaczynski.

Denn auch der soziale Frieden im Land sei gefährdet, schreiben die Akteure an Woidke.: „Schon jetzt machen sich populistische und rechtsnationale Bewegungen die Verunsicherung der Bevölkerung zu Nutze, um ihre demokratiefeindlichen Gedanken zu verbreiten.“

Beim Familienforum am Wochenende im Landtag sei deutlich geworden, dass Familien sich alleingelassen fühlen, sagte Birgit Uhlworm von der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände im Land Brandenburg (LAGF). Familien stünden nach Corona auch unter großem psychischen Druck. „Sie sparen schon jetzt bei Kultur, Bildung, Freizeit, Urlaub und beim Essen“, so die Geschäftsführerin des Landesverbands der Selbsthilfegruppen Alleinerziehender.

Eltern konnten beim erstmals einberufenen Familienforum am Samstag mit Vertretern der Landesregierung und mit Landtagsabgeordneten ins Gespräch kommen. „Die Situation der Familien entspannt sich angesichts Inflation und Energiepreiskrise nicht. Ganz im Gegenteil“, sagte Sozialstaatssekretär Michael Ranft (Grüne) im Anschluss.

Neben einem Gipfeltreffen schlägt die Landesarmutskonferenz die Bildung eines Brandenburger Härtefallfonds vor. „Dieser könnte zur Stabilisierung der Mietnebenkosten etwa im Kommunalen Wohnungsbestand genauso herangezogen werden wie zur Stützung sozialer Angebote“, heißt es in dem offenen Brief an den Regierungschef. Soziale Einrichtungen wie Tafeln hätten im Zuge der Pandemie 2020 bereits mit dem Rückgang von Spenden und Zuwendungen zu kämpfen.

Die rot-schwarz-grüne Landesregierung plant ergänzend zu den Bundesmaßnahmen gegen Inflation und Energiekrise ein eigenes Rettungspaket von zwei Milliarden Euro bis Ende 2024. Als konkrete Maßnahme ist wie berichtet bislang nur bekannt, dass die Einkommensgrenze für Kita-Eltern zur Beitragsbefreiung von 20.000 Euro auf 35.000 Euro pro Haushalt erhöht werden soll. Damit könnten ab 2023 insgesamt rund 117.000 Kinder Horte und Kitas beitragsfrei besuchen. „Das ist eine Möglichkeit der Unterstützung“, so Kaczynski. Allerdings müsse dann gewährleistet sein, dass die dennoch zu zahlenden Beiträge für Eltern mit höherem Einkommen sozialverträglich gestaffelt sind. Angesichts der ausstehenden Novelle des Kitagesetzes seien die Beiträge innerhalb des Landes sehr unterschiedlich.

Franziska Löffler, Leiterin des Büros Kinderarmut der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Potsdam, warb hingegen erneut für die Bereitstellung eines kostenfreien Mittagsessens in den Schulen für alle Kinder. Das sei auch wichtig, um das soziale Miteinander zu fördern. „Ein kostenloses Schulessen würde vielen Familien sehr helfen“, ist auch Caritasdirektor Bernd Mones, Vorsitzender des neuen Landes-Kinder- und Jugendausschuss überzeugt. Ein entsprechender Antrag der oppositionellen Linksfraktion, die Elternbeiträge für Kita-, Hort- und Schulessen auf zwei Euro zu deckeln und perspektivisch ganz abzuschaffen, war am Freitag im Landtag aber mit der Mehrheit der rot-schwarz-grünen Regierungskoalition abgelehnt worden.

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