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Mit wehenden Fahnen? Brandenburgs zweite rot-rote Landesregierung arbeitet bislang eher unauffällig.

© dpa

Brandenburg: Ohne Esprit

Heute vor 100 Tagen wurden Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und die zweite rot-rote Landesregierung in Brandenburg vereidigt. Sie arbeitet fast unbemerkt. Kein Krach, keine Affären, keine Inspiration. Das Wahlvolk ist zufrieden. Wie stehen Kabinett, Koalition und Opposition da?

Stand:

Eine Bilanz-Pressekonferenz von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und seinem Vize Christian Görke (Linke) zu den ersten einhundert Tagen ist nicht geplant. Warum auch? Die rot-rote Regierung hat es gar nicht nötig, in eigener Sache die Werbetrommel zu rühren. Nach einer aktuellen Umfrage von MOZ und RBB steht die Regierung bei den Brandenburgern gut da. Und die CDU als größte Oppositionspartei im Landtag zerlegt sich zudem gerade selbst.

Der Start war nicht einmal im Ansatz mit dem der rot-roten Vorgängerregierung 2009 vergleichbar, die sofort von Stasi-Enthüllungen und Affären erschüttert wurde. Diesmal blieb selbst Krach in der Koalition aus. Nach der Umfrage, für die tausend Brandenburger befragt wurden, sind 60 Prozent mit der Regierung zufrieden oder sehr zufrieden, 36 Prozent sind es nicht. Das sind Rekordwerte, die die SPD-CDU-Koalition von 1999 bis 2009 nie erreichte. Allerdings bleibt es dabei, dass die Linken als Juniorpartner davon nicht profitieren. Wären jetzt Landtagswahlen, kämen sie wieder nur auf 19 Prozent. Zwar sei es für die Linke das Wesentliche, dass die Brandenburger mit ihrer Landesregierung zufrieden seien, reagierte Görke. „Die Umfragewerte sind aber ebenfalls ein Zeichen, dass wir Linke erkennbarer werden müssen.“ Die SPD wäre mit 34 Prozent stärkste Partei, legte damit sogar zwei Prozentpunkte zu. Leicht zulegen konnte die Union um zwei auf 25 Prozent. Allerdings lief die Umfrage noch vor den Turbulenzen um den Rückzug von Parteichef Michael Schierack. Etwas Verlust machte die Alternative für Deutschland, die zwei Prozentpunkte abgab und jetzt auf zehn Prozent käme. Die Grünen, bei der Wahl mit 6,2 Prozent in den Landtag gekommen, liegen jetzt bei fünf Prozent.

Da hat es die Opposition schwer. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben sieht die ersten hundert Tage Rot-Rot so: „Wer mit der Neuauflage des Bündnisses Impulse erwartet hat, sieht sich enttäuscht. Die ungelösten Probleme der letzten Jahre bestimmen weiterhin das Tagesgeschäft von SPD und Linke.“ Und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, Rot-Rot sei „noch  nicht aus den Startlöchern“ gekommen. Die Ratlosigkeit, sekundierte Fraktionsvize Ursula Nonnemacher, falle nur wegen der CDU-Querelen nicht auf. Ihre Stärke verdankt die Regierung vor allem Woidke, wie der Politologe Henrik Scheller von der Uni Potsdam analysiert. Wie früher Manfred Stolpe und Matthias Platzeck ist Woidke der mit Abstand populärste und bekannteste Politiker, obwohl er erst seit 2013 im Amt ist. 66 Prozent der Brandenburger sind mit Woidke zufrieden, lediglich vier Prozent weniger als im im September 2014. „Es war nicht vorauszusehen, dass Woidke nach dem Ausscheiden von Matthias Platzeck die Regierung so souverän weiterführt“, sagt Scheller. „Er arbeitet unaufgeregt, gilt als beratungsoffen und wird von weiten Teilen der Bevölkerung aufgrund seiner unprätentiösen Art anerkannt.“ So sei es für die Linke schwer, sich in der Öffentlichkeit zu behaupten. „Je stärker sich Woidke präsentiert, desto schwerer wird der Stand für die Linke“, meint Scheller.

Aktuell ist niemand in Sicht, der ihm gefährlich werden könnte. Während Woidke nur acht Prozent nicht kennen, sind seine Regierungsmannschaft, aber auch die Oppositionspolitiker ziemlich unbekannt. Bildungsminister Günter Baaske (SPD), seit zehn Jahren im Kabinett, Zweitplatzierter hinter Woidke, kennen 35 Prozent nicht. Mit Baaske sind 38 Prozent zufrieden, 15 Prozent nicht. Finanzminister und Vize-Regierungschef Christian Görke (Linke), immerhin Spitzenkandidat seiner Partei und im Beliebtheitsranking auf Platz drei, kennt jeder zweite Brandenburger (47 Prozent) nicht. Mit Görke sind 26 Prozent zufrieden, etwas weniger als im September. CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben, der im Landtag einen guten Start hinlegte und nun für den Parteivorsitz kandidiert, ist 64 Prozent der Befragten völlig unbekannt. Selbst 56 Prozent der CDU-Anhänger können mit seinem Namen nichts anfangen. Schwer haben es auch die Grünen, deren Fraktionschef Axel Vogel auch nach fünf Jahren im Landtag 68 Prozent der Bevölkerung nicht kennen. Unbeliebtester Politiker ist AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, mit dem zwölf Prozent der Befragten zufrieden, aber 30 Prozent unzufrieden sind – das ist der Höchstwert. (mit dpa)

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