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Flüchtlinge in Brandenburg: „Ohne historisches Vorbild“
Nach neuesten Prognosen werden bis zu 1,5 Millionen Flüchtlinge in diesem Jahr in Deutschland erwartet, nach Brandenburg kommen insgesamt 46 0000 Asylbewerber. Noch haben die Behörden die Lage im Griff, doch Innenminister Karl-Heinz Schröter warnt: "Irgendwann geht es nicht mehr weiter."
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Schönefeld/Berlin - Brandenburgs Innenministerium will die publik gewordenen neuen Prognosen des Bundes, wonach 1,5 Millionen Flüchtlinge in diesem Jahr erwartet werden, nicht näher bewerten. Ein Ministeriumssprecher sagte den PNN, der Flüchtlingszustrom nach Brandenburg habe eine Dynamik erreicht, die „ohne historisches Vorbild“ sei. Die Anspannung sei immens. Noch hätten die Behörden die Lage im Griff. Die entscheidende Frage sei, wie lange das so weitergehe. Noch könne die Lage mit Schwierigkeiten bewältigt werden. „Wenn wir die Sicherheit hätten, dass nach dem Rekord in diesem Jahr die Zahlen wieder runtergehen, dann könnten wir sagen, wir kriegen das hin“, sagte der Ministeriumssprecher. Sollte die neue Prognose zutreffen, sei es Angelegenheit der Politik Antworten zu finden. Die Ressourcen der Hilfsorganisationen seien nicht unbegrenzt, sie würden schon jetzt an der Grenze der Leistungsfähigkeit arbeiten. Selbst Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte am Abend dem rbb: „Irgendwann geht es nicht mehr weiter.“
Schröter spricht vom Krisenmodus
Bereits Ende vergangener Woche hatte Schröter von einem Krisenmodus gesprochen, in dem sich das Land befinde. Die Steigerung der Flüchtlingszahlen in den vergangenen Wochen sei nicht absehbar gewesen. Das Innenministerium rechnet in den nächsten Wochen vor Einbruch des Winters mit 650 Flüchtlingen täglich. Bis Ende September waren knapp 17 200 Flüchtlinge nach Brandenburg gekommen, davon rund 7000 allein im September. Im gesamten vergangenen Jahr kamen 6300. Bis zum Jahresende könnten es 30 000 Asylbewerber werden.
Am Montag sind in Berlin und Brandenburg erneut mehrere Hundert Flüchtlinge eingetroffen. Die etwa 400 Menschen kamen am Mittag mit einem Sonderzug aus Salzburg in Schönefeld (Dahme-Spreewald) an. Rund 200 Asylsuchende wurden in die Außenstellen der Erstaufnahmeeinrichtung Brandenburgs gebracht, wie das Innenministerium in Potsdam mitteilte. Die andere Hälfte kam in einer der Messehallen unter. Nach Angaben des Ministeriums soll bis kommenden Sonntag täglich ein Sonderzug aus Salzburg in Schönefeld eintreffen. An Bord sind voraussichtlich jeweils 450 Menschen.
Spannungen in Flüchtlingsunterkünften in Brandenburg
In Brandenburg wurden die am Montagmittag neu angekommenen Flüchtlinge in der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) sowie in Notunterkünften in Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster) untergebracht. Für den Abend waren laut Ministerium zwei Busse angekündigt, die weitere Asylbewerber nach Eisenhüttenstadt bringen sollten. In eine neu eingerichtete Notunterkunft der Erstaufnahmestelle in Cottbus sollten am selben Tag erstmals etwa 50 Asylbewerber einquartiert werden, die aus Eisenhüttenstadt kommen. Bis zu 250 Menschen haben dort Platz.
Indes nehmen die Spannungen in den Flüchtlingsunterkünften zu: Zwei 18 und 24 Jahre alte Männer sind bei einer Auseinandersetzung in Brandenburg/Havel verletzt worden. Wie die Polizei am Montag mitteilte, wurde der 18-Jährige nach einem Streit am Sonntagabend von einer fünfköpfigen Flüchtlingsgruppe mit Messern angegriffen. Als ein 24-Jähriger seinem Freund zur Hilfe eilen wollte, wurde auch er mit einem Messer angegriffen. Während der 18-Jährige schwer verletzt wurde, soll es bei dem 24-Jährigen bei leichteren Blessuren geblieben sein. Beide mussten zur medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus gebracht werden, hieß es. Die fünf Angreifer im Alter zwischen 21 und 25 Jahren wurden vorläufig festgenommen. Nach der Vernehmung mithilfe eines Dolmetschers wurde gegen vier Männer Haftbefehl beantragt. Wegen der aufgeheizten Stimmung in der Flüchtlingsunterkunft musste die Polizei mit mehreren Streifenwagenbesatzungen anrücken, um die Parteien zu trennen.
Handgreiflichkeiten vor dem Lageso
Auch vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) sind erneut handgreifliche Streitigkeiten zwischen Flüchtlingen ausgebrochen. Die Ursache sei wieder eine Kleinigkeit gewesen, sagte Sprecherin Silvia Kostner am Montag. Danach hätten sich gleich mehrere Männer gegen Mittag auf beiden Seiten in ein Handgemenge eingemischt. Nach Angaben der Polizei wurde dabei ein Mann verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Ein anderer Mann wurde festgenommen. Der Anlass für die Schlägerei sei noch unbekannt, hieß es bei der Polizei. Am Montag warten immer besonders viele Asylbewerber vor dem Lageso, da das Amt am Wochenende geschlossen ist. Hunderte warten auf ihre Registrierung. Andere wollen Geld zum Lebensunterhalt abholen. Am Montag ging das Geld am frühen Nachmittag wegen des ungeheuren Andrangs aus. „Wir haben für heute kein Geld mehr und mussten die Menschen nach Hause schicken“, sagte Kostner. Dramatisch sei das nicht, weil diese Flüchtlinge bereits alle registriert und in einer Unterkunft untergebracht seien. „Dort werden sie verpflegt.“ (mit dpa)
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