Die Causa Christoffers: Ohne Worte
In der Sondersitzung des Landtags zur Affäre um Wirtschaftsminister Christoffers sprach ausgerechnet einer nicht: Christoffers.
Stand:
„Die Zweifel wurden nicht ausgeräumt. Ministerpräsident Woidke hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Offenbar hat er Anlass, sich nicht mehr an die Seite des Wirtschaftsministers zu stellen.“
Michael Schierack, CDU
Potsdam - Nach erster Fassungslosigkeit bricht schallendes Gelächter aus, in den Reihen der Opposition. Und verlassen alle Abgeordneten der Grünen demonstrativ den Plenarsaal des brandenburgischen Landtags, die der FDP folgen kurz darauf. Es läuft die Sondersitzung des Landtages, die die CDU wegen der Förder-Affären um Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) durchsetzte. Soeben hat die Regierung das Wort erhalten. Doch was folgt, hat niemand erwartet, ist für die Opposition eine Missachtung des Parlaments.
Denn nicht Christoffers tritt ans Rednerpult, um sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen, wie es trotz Hinweisen auf Unseriosität, Betrug und fehlende Bonität noch im September 2012 zu einer Drei-Millionen-Zahlung an die dubiose Firma HBS in Luckenwalde kommen konnte. Wie es sein kann, dass ohne den laut Förderbescheid nötigen Banknachweis zur Bonität der Firma ausgezahlt wurde. Und auch nicht Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht, der sich noch am Wochenende hinter den angeschlagen Minister gestellt hatte. Vorgeschickt wird Staatskanzleichef und Staatssekretär Albrecht Gerber.
Christoffers sitzt schweigend auf der Regierungsbank, die Hände gefaltet, als Gerber ihn „im Namen der gesamten Landesregierung“ in Schutz nimmt, gegen die „ehrabschneidenden“ Vorwürfe der Opposition. Nein, auf die Versäumnisse, die den Betrug erleichtert haben, die merkwürdige Rolle, die Christoffers spielte, geht Gerber nicht ein. Er verspricht noch, dass Konsequenzen gezogen werden sollen, um besser gegen Betrüger gewappnet zu sein. Dann teilt er gegen die CDU aus. Man arbeite in der Koalition mit den Linken vertrauensvoll zusammen, „erst recht im Vergleich zu den Koalitionsquerelen in der vergangen Legislaturperiode“. Da saßen die Schwarzen in der Regierung.
In der Sondersitzung geht es kaum um die HBS-Affäre, um Fakten, um Details. Denn sie ist die Generalprobe für die Brandenburger Landtagswahl am 14. September. So hat Parteichef und Spitzenkandidat Michael Schierack, der als Erster sprach, auch losgelegt, mit einem Rundumschlag. Er hat immer wieder Woidke attackiert, den er beerben will. Ihm vorgehalten, sich nicht um das Land zu kümmern, die Pannen und Turbulenzen in der rot-roten Regierung, den Rücktritt des Justizministers, die Förderaffären um Christoffers, an dem Woidke festhalte. „Damit ist der Fall Christoffers ein Fall MP geworden.“ Manchmal hat sein Auftritt unfreiwillige Komik. Etwa als er erklärt, die CDU habe die Sondersitzung beantragt, „damit die Landesregierung aus ihrer Agonie herauskommt“. Da wird es heiter in den rot-roten Reihen, und auch als Schierack – ungeachtet der für die Union und ihn eher mageren letzten Umfrageergebnisse – Woidke und der rot-roten Koaltion vorwirft, sich in der Bevölkerung zu isolieren. Schierack: „Schauen Sie sich doch die Stimmung der Menschen in Brandenburg an.“ Nun ja, SPD-Fraktionschef Klaus Ness demonstriert im Anschluss, dass es noch arger geht, mit einer Rede. Er attackiert minutenlang den CDU-Abgeordneten Danny Eichelbaum, der nach Betrugsermittlungen eine Geldbuße von 20 000 Euro zahlte. Und er, der von Christoffers ablenken will, wirft der CDU Ablenkungsmanöver vor.
Es sind der FDP-Abgeordnete Gregor Beyer und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel, die sich auf den Anlass der Sondersitzung konzentrien, hart, aber fair, in Kenntnis der Akten, das Versagen von Christoffers sezieren. „Sie wollten, dass das Geld an die HBS ausgezahlt wird. Sie haben es veranlasst. Jede andere Aussage ist eine Lüge“, hält Beyer Christoffers vor und fordert seinen Rücktritt. Auch Axel Vogel, Grünen-Fraktionschef, wiederholt das. Und begründet dies nicht allein mit dem damaligen Handeln von Christoffers, das zur Millionenzahlung an die Betrügerfirma beitrug, sondern mit dessen Krisenmanagement, dem Versuch, alles auf die Förderbank (ILB) abzuschieben, dessen Vizeverwaltungsratsvorsitzender er auch noch sei. „Das ist unwürdig und unvereinbar mit dem Ministeramt.“
Ehe am Ende erwartungsgemäß ein Antrag von CDU, FDP und Grünen auf Entlassung von Christoffers mit rot-roter Mehrheit abelehnt wird, geht Dietmar Woidke doch ans Mikrofon. Am Morgen hatte er die Kampagne der Brandenburger SPD eröffnet, aus der der 1,7 Millionen teure Wahlkampf gesteuert wird. Eine Broschüre ist fertig, mit bunten Bildchen. „Mensch Woidke.“ Nun zählt er Erfolge der Regierung auf, mehr Lehrer, mehr Polizisten eingestellt. Nur zur Causa Christoffers sagt der Regierungschef keine Silbe.
Und so äußerten sich die Politiker im Landtag:
Gregor Beyer, FDP:
„Sie haben die Auszahlung veranlasst, jede andere Aussage ist eine Lüge. Sie haben Fehler gemacht und hatten nicht die Größe, diese zu bekennen. Sie haben sich immer tiefer in ein Lügengebäude verstrickt.“
Axel Vogel, Grüne:
„Wir haben einen Minister erlebt, der jegliche Verantwortung von sich weist und trotz seines dokumentierten aktiven Einschaltens in das Fördermittelverfahren alle Schuld bei der Investitionsbank abladen will.“
Klaus Ness, SPD:
„Wer einen solchen unerhörten Vorwurf der Lüge in den Raum stellt, muss ihn auch belegen können. Das heute ist ein Rückfall der Brandenburger CDU in finstere Zeiten von Saskia Ludwig.“
Margitta Mächtig, Die Linke:
„Von den Vorwürfen der Opposition ist nichts als heiße Luft übrig geblieben. Sie wollen gar keine Auseinandersetzung mit der Regierung, Sie wollen eine Showbühne. Und dazu missbrauchen Sie das Parlament.“
HINTERGRUND
DIE HBS
In Luckenwalde wollte die Firma „Human Biosciences“ (HBS) 42 Millionen Euro investieren, eine Fabrik für Wundpflaster bauen und 81 Jobs schaffen. Das Land förderte das Projekt mit 6,5 Millionen Euro, hinzu kommen Investitionszulagen vom Finanzamt von rund 7 Millionen Euro. Ein Großteil des Geldes haben die Firmenchefs über In-sich-Geschäfte ins Ausland geschafft, in Luckenwalde steht nur eine Bauruine. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt wegen besonders schweren Betrugs. Zwei Manager sitzen in Untersuchungshaft. Nach Darstellung von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers ist das Land diesen Kriminellen zum Opfer gefallen.
DAS VERSAGEN DER ILB
Der Fall HBS ist einer der schwersten Fälle von Subventionsbetrug im Land.
Das hätte allerdings verhindert werden können. Denn in der Fördermittelaffäre gab es rechtzeitig Hinweise auf Betrug, Unseriosität und fehlende Bonität der Investoren. Und zwar ehe Millionen Euro an Fördermitteln durch die ILB ausgezahlt wurden. Vor allem, bevor am 27. September 2012 die letzten 3,2 Millionen Euro flossen. So wusste die ILB seit 2010, bevor die erste 3-Millionen-Euro-Rate gezahlt wurde, dass HBS-Firmengründer J. 2006 in den USA wegen Förderbetrugs verurteilt war. Und die ILB ließ sich vom Anwalt des Mannes mit einem Entlastungsschreiben einlullen.
CHRISTOFFERS’ FEHLER
Christoffers unternahm nichts, um die Auszahlung der 3,2 Millionen Euro an HBS am 27. September 2012 zu verhindern – obwohl er selbst zwei Tage zuvor eine Verhandlungsrunde mit HBS, darunter J., leitete und Informationen zu fehlenden, aber erforderlichen Bank-Nachweisen zur Bonität und Gesamtfinanzierung hatte. Den von Christoffers behaupteten Rechtsanspruch auf die Gelder durch den Förderbescheid aus dem Jahr 2008 gab es nicht – denn die Auflagen waren nicht erfüllt. Seit Frühjahr 2012 wusste er von den Betrugshinweisen. Statt kritischer Nachfragen machte das Ministerium Druck, weil die ILB die Gelder für die HBS auf Eis gelegt hatte. (thm/axf)
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