ENERGIEPOLITIK: Opposition fordert Aufklärung zur Odersun-Hilfe
UPDATE. Die Rettungsaktion für die notleidende Solar-Firma Odersun hat ein Nachspiel: Die CDU wirft Brandenburgs Wirtschaftsminister Christoffers Missachtung des Parlaments vor.
- Matthias Matern
- Alexander Fröhlich
- Peter Tiede
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Die von Brandenburgs Wirtschaftsministerium erteilte, aber rechtlich und wirtschaftlich umstrittene Rettungsbeihilfe für die angeschlagene Frankfurter Solar-Firma Odersun hat ein politisches Nachspiel. Die Opposition im Landtag verlangte am Donnerstag Aufklärung über die gezahlten drei Millionen Euro, mit der das Wirtschaftsministerium das Unternehmen Anfang Februar aus einem akuten Liquiditätsengpass gerettet hat.
Nach dem entsprechenden PNN-Bericht kritisierte CDU-Wirtschaftsexperte Dierk Homeyer, dass Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) den zuständigen Ausschuss des Landtags am Mittwoch „nicht über die Zahlungen an die Firma Odersun informiert“ hat. Damit hätte er „eklatant das Parlament missachtet“.
Tatsächlich hatte Christoffers dem Wirtschaftsausschuss detailliert Auskunft über die Lage der brandenburgischen Solarindustrie gegeben, für März ist eine Anhörung geplant. Seit 2011 steckt die gesamte Branche wegen Überkapazitäten in der Krise. Dass die Bundesregierung nun auf Initiative von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) die Förderung der Solarenergie drastisch senkt, trifft die Branche hart, besonders in Brandenburg. Jedes zweite deutsche Modul kommt aus der Region, die Branche beschäftigt etwa 5000 Menschen. Christoffers ist alarmiert und fürchtet Massenentlassungen. Am Standort Frankfurt (Oder) hat das US-Unternehmen First Solar seine Produktion um 50 Prozent gedrosselt. Für den überwiegenden Teil der 1200 Beschäftigten gilt seit gestern Kurzarbeit.
Angesichts der Lage hätte Christoffers sich auch zu Odersun äußern müssen, sagte Homeyer. Grüne-Fraktionschef Axel Vogel nannte es seltsam, dass Christoffers kein Wort über die Beihilfen verloren hat. Auch Finanzminister Helmuth Markov (Linke) konnte am gestrigen Donnerstag im Finanzausschuss die Umstände nicht erhellen, obwohl die Verwendung von Mitteln aus dem Topf der Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschafsförderung Thema war.
Homeyer hat nun eine kleine Anfrage gestellt, darunter zur rechtlichen Grundlage, zur Genehmigung durch die EU-Kommission, zu Auflagen und Rückzahlungsmodalitäten. Brisant sind die Fragen zu den Umständen der Entscheidung selbst. Etwa ob das Ministerium fest davon ausgehen kann, dass Odersun wieder auf die Beine kommt und das nötige Kapital zum Überleben auftreiben kann. Rechtlich zulässig wäre die Beihilfe nur, wenn damit keine Insolvenz verschleppt wird.
Bereits Ende 2011 deutete sich an, dass Odersun nicht länger Löhne und Gehälter zahlen kann. Das Wirtschaftsministerium bat beim Wettbewerbskommissariat in Brüssel um Erlaubnis für die Beihilfe aus Landesmitteln. Am 7. Februar kam die Freigabe, gerade noch rechtzeitig, damit Odersun ausstehende Löhne zahlen und eine Insolvenz abwenden konnte. Das Ministerium bestätigte die Nothilfe, wollte aber keine weiteren Details nennen. „Das ist ein laufendes Verfahren“, sagte ein Sprecher. Die EU-Kommission veröffentlichte bislang nur einen anonymisierten Hinweis, in einigen Tagen folgt eine detaillierte Darstellung. Bei Odersun, dessen Firmenspitze zur Rettung des Unternehmens in Russland mit einem Investor verhandelt, hieß es: „Kein Kommentar.“
„Bei Odersun geht es immerhin um 260 Mitarbeiter an beiden Standorten“ in Frankfurt und Fürstenwalde, sagte Peter Ernsdorf von der IG Metall Ostbrandenburg. Es sei aber eines der wenigen Solarunternehmen in Brandenburg ohne aktive Arbeitnehmervertretung. Einen Betriebsrat gibt es nicht. Zumindest habe sich die Unternehmensleitung zu einem Treffen am 22.März bereit erklärt, so Ernsdorf.
Branchenexperte Matthias Brachert vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle sagte, Odersun verfüge mit seinen maßgeschneiderten, gebäudeintegrierten Modulen zwar über ein äußerst innovatives Produkt, doch der Markt dafür sei vergleichsweise klein. Eine groß angelegt Serienproduktion lohne sich meist nicht. Die Krise in der brandenburgischen Solarindustrie führte der Wissenschaftler zwar auf den Preisverfall durch die Massenproduktion in China zurück, doch einige Firmen würden an hausgemachten Fehlentwicklungen leiden. „Viele Firmen sind aus kleinen Tüftlerprojekten entstanden. Die technische Kompetenz ist zwar groß, doch oft gibt es Schwächen beim Marketing und Vertrieb.“ Eigentlicher Marktführer in Brandenburg sei First Solar. Thoralf Schapke, Chef des Branchennetzwerks Solarregion Berlin-Brandenburg, glaubt, dass Brandenburgs Solarfirmen zu wenig in die Weiterentwicklung ihrer Produkte investieren. „Gerade einmal 2,8 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel fließen in Forschung und Entwicklung“, sagte Schapke. „Viele Firmen begreifen sich nur als verlängerte Werkbank und bloße Module-Produzenten.“
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