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Von Thorsten Metzner: Platzeck beklagt „historisches Dauertribunal“ Sondersitzung des Hauptausschusses zum Streit um Zwangskollektivierung und heutige Agrarbetriebe

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat der Opposition „Verleumdung“ und das Zelebrieren eines „historischen Dauertribunals“ gegen Rot-Rot vorgeworfen. Auf einer Sondersitzung des Hauptausschusses verwahrte er sich am Freitag gegen Vorwürfe von CDU, FDP und Grünen an die SPD/Linke-Koalition, SED-Unrecht wie die Zwangskollektivierung in der DDR-Landwirtschaft zu relativieren.

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Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat der Opposition „Verleumdung“ und das Zelebrieren eines „historischen Dauertribunals“ gegen Rot-Rot vorgeworfen. Auf einer Sondersitzung des Hauptausschusses verwahrte er sich am Freitag gegen Vorwürfe von CDU, FDP und Grünen an die SPD/Linke-Koalition, SED-Unrecht wie die Zwangskollektivierung in der DDR-Landwirtschaft zu relativieren. Das sei „restlos an den Haaren herbeigezogen“, „schäbig“ und „ehrabschneidend“. Es sei auch für die SPD/Linke-Koalition unstrittig, welches Unrecht damals tausenden Bauern geschehen sei.

Die Sondersitzung samt Auftritt des Ministerpräsidenten war von CDU, FDP und Grünen erzwungen worden. Sie hatten Platzeck zuvor auch persönlich eine „unklare Haltung“ zur Zwangskollektivierung vorgeworfen. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser sprach von einer „ungeheuerlichen Konstruktion.“ Niemand, der Platzeck seit 1990 kenne, käme „auf eine so abwegige Idee.“ Doch seit den Stasi-Erschütterungen nach Bildung der rot-roten Koalition steht der Regierungschef, vor 1989 selbst von der Stasi bespitzelt, für die Opposition beim Umgang mit der SED-Diktatur unter Generalverdacht. Wie berichtet, war Auslöser der Debatte eine Gedenkveranstaltung Ende April zum 50. Jahrestag der Zwangskollektivierung in Kyritz, auf der Sachsen-Anhalts CDU-Regierungschef Wolfgang Böhmer, aber weder Platzeck noch ein anderes Brandenburger Regierungsmitglied war. Die CDU hatte das Fernbleiben Platzecks attackiert. Zur Wahrheit gehöre, sagte Platzeck, dass der in Sachsen-Anhalt ansässige Bauernbund den Gedenkstein für Opfer der Zwangskollektivierung erst in Kyritz enthüllt habe, nachdem zwei Gemeinden im CDU-regierten Sachsen-Anhalt dies abgelehnt hätten. Nicht er, sondern der Regierungschef des Nachbarlandes sei nach Kyritz eingeladen worden. Danach habe es „eine große Welle der gespielten Empörung“ der brandenburgischen Opposition gegeben. Die hatte auch aus der Teilnahme des SPD-Abgeordneten Udo Folgart, Präsidenten des Bauernverbandes, auf einer fast zeitgleichen Veranstaltung der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Verharmlosung der Zwangskollektivierung gefolgert. Es habe Sensibilität der Koalition gefehlt, sich ein Bild gefügt, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Das Schweigen Platzecks habe dies bestärkt. Doch gaben sich FDP und Grüne mit der „späten“ Erklärung des Regierungschefs schließlich zufrieden.

Zwar dankte auch CDU-Vizefraktionschef Dieter Dombrowski für die „klaren Worte“. Er vermisse dennoch „Selbstkritik und hinreichenden Respekt vor den Opfern.“ Der Umgang von Rot-Rot mit der SED-Diktatur werfe weiter „grundsätzliche Fragen“ auf. Dombrowski zog - von den Stasi-Fällen bei den Linken, Widerständen der Koalition gegen die Enquete-Kommission zur SED–Diktatur bis zum Streit um Stasi-Dienstzeiten - einen Bogen. Platzeck wiederum warf ihm „Pharisäertum“ vor. Er persönlich, nicht die CDU, habe noch zu Zeiten der Großen Koalition die Diktaturbeauftragte auf den Weg gebracht. Die CDU habe damals nie auf eine Stasi-Überprüfung des Landtages gedrängt. „Wenn Sie Interesse daran hatten, dann haben Sie es gut versteckt.“

Thema waren auch die provokanten Aussagen von Grünen-Fraktionschef Axel Vogel, wonach in den aus den zwangskollektivierten LPG entstandenen großen Agrargenossenschaften das „Gedankengut des Frühkommunismus und des Leninismus“ fortlebe, die Firmen „Unrecht“ seien. Nachdem selbst CDU und FDP auf Distanz gegangen waren, dort mancher insgeheim schadenfroh „auf den Fauxpas des Oppositionsführers“ reagierte, ruderte Vogel auch im Ausschuss zurück. Er habe auf Traditionslinien hingewiesen, nicht Menschen gemeint.

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