
© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
Brandenburg: Politische Bildung
Tausende Schüler freier Schulen protestieren in Potsdam gegen Kürzungen und pfeifen Münch aus
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Potsdam - Sie trugen Transparente wie „SOS! Schulen in Not!“: Tausende Kinder, Lehrer und Eltern aus dem ganzen Land haben am Mittwoch in Potsdam gegen von der rot-roten Regierungskoalition vorbereitete Millionen-Kürzungen bei freien Schulen protestiert, während drinnen der Landtag den Etat 2012 erstmals beriet. Mit nach Veranstalterangaben rund 7000 Teilnehmern erlebte Potsdam damit eine der größten Demonstrationen seit 1990, die Straße von der Heinreich-Mann-Allee hinauf zum Brauhausberg war gesäumt von den Protestanten, nachdem zuvor die Volksinitiative für eine „Schule in Freiheit“ bereits 30 000 Unterschriften gegen die Rotstiftpläne gesammelt hat. Auf einer Kundgebung am Fuße des Landtages wurde Bildungsministerin Martina Münch (SPD) ausgepfiffen, weil sie zwar „Gesprächsbereitschaft“ zusicherte, in der Sache aber hart blieb.
Ungachtet des gellenden Pfeifkonzertes verteidigte Münch die geplanten Einschnitte als ausgewogen und notwendig - wegen der Verschuldung des Landes und der Schieflage der Finanzen. „Es kann nicht gut gehen, wenn man doppelt so viel Geld ausgibt als man hat“, sagte Münch. Brandenburg zahle täglich zwei Millionen Euro Zinsen. Am Sparen führe kein Weg vorbei, auch das Bildungssystem müsse seinen „kleinen Beitrag“ leisten. Bei der Finanzierung freier Schulen bleibe Brandenburg immer noch auf dem Niveau anderer Bundesländer. Dagegen warf Christoph Schröder, Landechef der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen – es sind etwa 130 Einrichtungen mit 25 000 Kindern – Rot-Rot Ungerechtigkeit vor. Die freien Schulen hätten mit 17,9 Millionen „die Hauptlast“ der 26-Millionen-Einschnitte im Bildungsetat bis 2014 zu tragen. Deshalb steht für die Opposition im Landtag aus CDU, FDP und Grünen fest, dass es um einen ideologisch motivierten Angriff auf freie Schulen geht.
Anlass der Kundgebung war die erste Lesung des Etats für 2012 im Parlament, das die Spargesetze erst noch beschließen muss. Es gehe um einen „fairen Ausgleich“ zwischen öffentlichen und freien Schulen, sagte Finanzminister Helmuth Markov (Linke). Freie Schulen erhielten weiter 125 Millionen Euro jährlich, lediglich früher zugesagte weitere Steigerungen gebe es nicht. Hingegen schloss SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher ausdrücklich Zugeständnisse im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens nicht aus. „Wir werden uns sehr genau angucken, welche Auswirkungen die Kürzungen haben. Wir prüfen, wo wir gegebenenfalls gegensteuern müssen“, sagte Holzschuher, der die „linke Finanzpolitik“ Brandenburgs als solide verteidigte.
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel nannte die Finanzpolitik inkonsequent. Er verwies darauf, dass Brandenburg als einziges Bundesland im Osten 2012 neue Kredite aufnehme.
CDU-Oppositionsführerin Saskia Ludwig, die in den letzten zwei Wochen wegen Zickzackkurses zum Flughafen Schönefeld selbst in den eigenen Reihen in die Kritik geraten war, nutzt die Haushaltsrede zu einem Generalangriff auf die Platzeck-Regierung. Für Ludwig ist der Umgang mit Protesten, ob bei freien Schulen oder gegen Belastungen durch den Flughafen Schönefeld, symptomatisch für das Desinteresse des Regierungschefs an Sorgen und Nöten. Während die CDU Verantwortung für Schönefeld als falschen Standort übernehme, vermisse sie den Ministerpräsidenten Platzeck, der sich wie 2004 bei den Auseinandersetzungen um die Agenda 2010 auf die Marktplätze stellt. Während Klaus Wowereit es schaffe, sämtliche Vorteile des Schönefelder Flughafens mitzunehmen, lasse Platzeck zu, dass in Brandenburg sämtliche Nachteile bleiben. Das habe mit Vertretung der Landesinteressen nichts zu tun. Man dürfe sich nicht von Umfragen täuschen lassen, sagte Ludwig, „Ministerpräsident Platzeck, Sie regieren am Volk vorbei“.
Für SPD und Linke, aber selbst für manchen Politiker aus den Reihen von Grünen, FDP und sogar der Union selbst, opponiert freilich die „Ludwig-CDU“ mit dem frontalen Dauerfeuer an der Mehrheit der Brandenburger vorbei.
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