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Not macht erfinderisch. Brandenburg wird für seine Zusammenarbeit mit den Nachbarländern gelobt, braucht laut Bertelsmann-Stiftung aber dringend mehr Innovationen aus eigener Forschung. Für beides steht ein gestern präsentiertes, länderübergreifendes Telemedizin-Projekt mit Mecklenburg-Vorpommern und Polen, mit dem dem Ärztemangel begegnet werden soll (Seite 15).

© dpa

Von Thorsten Metzner: „Politischen Verlockungen widerstehen“

Bertelsmann-Länderstudie mahnt konsequenten Sparkurs an, sieht Brandenburg aber auf „gutem Weg“

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Potsdam - Brandenburg holt auf, aber nur langsam. Das geht aus der neuen „Standort-Studie 2010“ der Bertelsmann-Stiftung, einem Vergleich der 16 Bundesländer, der am Montag in Gütersloh vorgestellt wurde. Zwar lautet das Fazit der Studie für das Land: „Brandenburg ist auf einem guten Weg.“ Dabei wird ausdrücklich auf die Vielzahl vorbildlicher Kooperationen mit Berlin verwiesen. Doch mahnen die Autoren ausdrücklich „verstärkte Anstrengungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich an“, auf die Investitionen konzentriert werden sollten.

Im ostdeutschen Vergleich schneidet Brandenburg bei diesem Ranking durchschnittlich ab, wobei die neuen Länder gemeinsam mit Berlin nach wie vor Deutschlands Schlussgruppe bilden. Und das Armutsrisiko bleibt auch in Brandenburg groß, was sich aus dem Anteil von Transfer-Empfängern – etwa Hartz IV – ableiten lässt. Wohlstands-Spitzenreiter im Osten, mit dem geringsten Anteil, ist Thüringen mit 12 Prozent, das sogar vor Hamburg (13 Prozent) liegt. In Sachsen und Brandenburg sind es jeweils 14 Prozent. Mit einigem Abstand folgen Sachsen-Anhalt, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 17 Prozent sowie Schlusslicht Berlin mit 20 Prozent. Zum Vergleich: In „reichen“ Ländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind 7 Prozent, in Hessen und dem Saarland 9 Prozent, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen jeweils etwa 10 Prozent der Bevölkerung auf finanzielle Unterstützung vom Staat angewiesen.

Die Studie untersucht auch, was Regierungspolitik dagegen tut. Bei den untersuchten Aktivitäten für bessere „Einkommen“ liegt Brandenburg im Deutschland-Vergleich auf Platz 13, nach Sachsen (12), aber vor Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, dem Land mit dem geringsten Einkommensniveau. Bei „Beschäftigung“, also den sich aus diversen harten Fakten ergebenen Job-Chancen, belegt Brandenburg ebenfalls Platz 13 im Deutschland-Ranking, hinter Sachsen (10) und Thüringen 12, während Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern schlechter sind. Auch bei „Sicherheit“, wo Brandenburg in den Vorjahren noch punkten konnte, liegen Sachsen und Thüringen besser.

Allerdings lässt die Studie keine Rückschlüsse auf die aktuelle rot-rote Regierungspolitik zu. Untersucht wurden Daten aus den Jahren 2006 bis 2008, als das Land noch von einer SPD-CDU-Koalition regiert wurde. Für diese Zeit bescheinigt die Bertelsmann-Stiftung Brandenburg, das ab 2007 ohne neue Schulden auskam, eine „solide Haushaltspolitik“. Nach der Studie wurde nirgendwo sonst in Ostdeutschland so viel Landespersonal abgebaut wurde wie in Brandenburg: Mit 25 Landesbediensteten je 1000 Einwohner weise Brandenburg das geringste Niveau in den neuen Ländern auf. Das Land müsse aber, so die Studie, „politischen Verlockungen widerstehen“, die „Ausgabenzügel weiterhin straff“ halten, den Personalabbau fortsetzen. „Es bedarf eines langen Atems, um die Sünden der Vergangenheit zu tilgen“, heißt es wörtlich.

Denn die nach 1990 angehäuften rund 19 Milliarden Euro Schulden wuchsen auf 6690 Euro je Einwohner, mit Zinsverpflichtungen in Höhe von 306 Euro pro Kopf. Zum Vergleich: In Sachsen betrug diese Belastung nur 2710 beziehungsweise 137 Euro, womit der Freistaat mit 1014 Euro deutlich mehr pro Einwohner investieren konnte als Brandenburg (790 Euro).

Das Geld fehlt Brandenburg auch für Sozialpolitik. Schwachstelle Brandenburgs ist die soziale Situation. Zu den Phänomen gehört, das die Arbeitslosigkeit vergleichsweise gering ist, das Land aber die deutschlandweit niedrigste Erwerbstätigenquote hat. Der hohe Anteil von Transfer-Empfängern, die von Rente, Hartz IV oder Stütze leben, korrespondiert mit einem hohen Anteil von Alleinerziehenden in Brandenburg. Dass die soziale Lage nicht schlimmer ist, hat Brandenburg laut Studie vor allem Berlin zu verdanken: Täglich pendeln 168 000 Brandenburger zur Arbeit in die Bundeshauptstadt.

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