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Brandenburg: Polizei-Gewerkschaft lehnt rot-roten Kompromiss für Beamtenbesoldung ab
Ein Jahrzehnt lang zahlte Brandenburg Beamten zu wenig Sold. Nun legt Rot-Rot ein besseres Angebot vor. Die Lage ist ernst: Rot-Rot versuchte es sogar mit einem Sonderdeal bei der Heilfürsorge, um den Widerstand der GdP zu brechen.
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Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition will den Streit mit den Gewerkschaften um den Ausgleich für verfassungswidrigen Sold mit einem Kompromissvorschlag lösen und die 34000 Landesbeamten deutlich besser bezahlen. In der Verhandlungsrunde am Dienstagmorgen im Landtag haben Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Finanzminister Christian Görke (Linke) und die beiden rot-roten Fraktionsführer Mike Bischoff und Ralf Christoffers ein deutlich bessere Angebot als bislang unterbreitet. Man sei finanziell bis an die Grenzen des Machbaren gegangen.
Woidke sprach hinter verschlossenen Türen davon, dass die Gewerkschaften diesen Vorschlag nicht ablehnen könnten. Und auch aus der Koalition hieß es danach, die Gewerkschaften hätten das Angebot positiv angenommen. Wie groß die Not der Koalition tatsächlich ist, den Streit vom Tisch zu bekommen, zeigte sich im Anschluss an die Runde. Aber dazu später.
Die GdP droht indirekt mit neuer Klagewelle
Fakt ist: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat das Angebot bei dem morgendlichen Gespräch als unzureichend zurückgewiesen, unterstützt vom dbb Beamtenbund und Tarifunion, Richterbund und Bund. Nur die Lehrergewerkschaft GEW begrüßte das Paket von Rot-Rot als „längst überfälligen Schritt“. Am Donnerstag soll der Haushaltsausschuss des Landtags über die Änderungen im Besoldungsgesetz beraten, bevor das Plenum darüber befindet. Sollte die rot-rote Koalition bei ihrem Angebot bleiben, ist eine neue Klagewelle von Polizeibeamten gegen ihre Besoldung nicht auszuschließen.
Das Angebot sieht Kosten von 235 Millionen Euro für die Jahre 2017 bis 2020 vor. Im laufenden Haushalt kommen 115 Millionen Euro hinzu, für die Jahre 2019/20 dann 120 Millionen Euro, was dank steigender Steuereinnahmen machbar ist. Bislang hatte die Koalition mit Mehrausgaben von maximal 72 Millionen Euro gerechnet.
Koalition spricht vom Paradigmenwechsel nach jahrelangem Tarifpoker
Konkret sollen die 34 000 Beamten von 2017 bis 2020 pro Jahr 0,5 Prozent mehr Sold bekommen – zusätzlich zur Übernahme des Tarifs für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von 4,35 Prozent in den Jahren 2017 und 2018. Erstmals will Rot-Rot im Besoldungsgesetz festschreiben, dass das Tarifergebnis für 2019/20 automatisch auf die Beamten übertragen wird. Ihnen soll somit Sicherheit gegeben und angesichts des Wettbewerbs zwischen den Ländern um Beamte auch Verlässlichkeit signalisiert werden. In der Koalition ist von einem Paradigmenwechsel nach jahrelangem Tarif-Poker die Rede.
Bei der von der GdP geforderten Einmalzahlung für alle Beamten zeigte Rot-Rot Entgegenkommen. Ursprünglich sollten nur 300 Beamte den entgangenen Sold aus den Jahren 2004 bis 2014 bekommen, die dagegen geklagt hatten. Die Landesregierung räumte nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Regelungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt bereits ein, dass der Brandenburger Sold über ein Jahrzehnt verfassungswidrig und zu niedrig war. Nach dem bisherigen Gesetzesentwurf sollten die übrigen Beamten im Land leer ausgehen, Gewerkschaften und Berufsverbände warnten vor schweren Folgen für den Betriebsfrieden in der Beamtenschaft.
Konkurrenz zwischen den Ländern um Beamte
Rot-Rot bietet den Beamten nun die Zahlung von 2000 Euro an. Allerdings besteht die GdP auf den Ausgleichszuschlag von 3000 Euro. Der Grund: Der Druck der Basis sei groß, die Marke von 3000 Euro selbst für die Beamten die unterste Grenze. Denn eigentlich beträgt der Verlust durch die verfassungswidrige Besoldung im Einzelfall laut GdP zwischen 3800 und 10000 Euro. „Wir haben in den Verhandlungen deutlich gemacht, dass ein Betrag von 3000 Euro für uns die unterste Grenze darstellt“, sagte GdP-Landeschef Andreas Schuster.
Die 2000 Euro, so sah es der Kompromissvorschlag vor, sollen bis 2020 gestaffelt an alle Beamten ausgezahlt werden, damit sie steuerrechtlich den größtmöglichen Vorteil haben. Statt als Ausgleichszuschlag bezeichnet Rot-Rot die Zahlung nun als Attraktivitätszuschlag. Auch hier ist der Hintergrund der Wettbewerb der Länder um Beamte bei Polizei, Justiz und Lehrern. Noch wird im Finanzministerium gerechnet, ob Brandenburg mit dem Paket im Bundesranking Schlusslicht wird oder von Berlin überholt wird.
Ein Beispiel: Sachsen darf jetzt ausgebildete Lehrer aus Bayern, die in dem Freistaat keine Stelle bekommen, direkt mit einer Sachsen-Pauschale von 600 Euro zusätzlich zum Gehalt anwerben. Brandenburgs Landesregierung steuert deshalb - wie berichtet - nach: 6700 Oberschullehrer - also Lehrkräfte in der Sekundarstufe I - sollen ab September höher eingestuft werden. Sie steigen von Besoldungsgruppe A12 auf A13 auf. Damit bekommen diese Lehrer monatlich 400 Euro mehr. Pro Jahr muss das Land dafür 30 Millionen Euro ausgeben.
Rot-Rot versucht es mit Sonderangebot für Polizisten
GEW-Landeschef Günther Fuchs sagte zwar: „Wir sind einen bedeutenden Schritt vorwärts gekommen und sind gespannt.“ Aber Fuchs stellte auch neue Forderungen auf. Die höhere Eingruppierung auf Soldstufe A13 müsse in absehbarer Zeit für alle Lehrkräfte an allen Schulformen gelten. „Wir stehen in einem brutalen Wettbewerb mit anderen, reicheren Bundesländern“, sagte Fuchs. Bis 2024 müssten 10 000 Pädagogen, die in Pension gehen, ersetzt werden.“
Auch wenn Rot-Rot mit eigener Mehrheit das Angebot durchsetzt – ausgestanden ist die Sache nicht. Die CDU will ihre Zustimmung davon abhängig machen, wie die Gewerkschaften das Kompromissangebot bewerten. Die Regierung habe auf Dauer ziemlich viel Vertrauen verspielt, sagte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Und auch die GdP plant neue Protestaktionen, etwa nächste Woche beim Sommerfest der Landesregierung.
Dass es für die GdP gut läuft und wie ernst die Lage für Rot-Rot ist, zeigte sich, als Woidke die GdP-Vertreter nach dem Gespräch in sein Landtagsbüro bat. Mit dabei die anderen Vertreter von Rot-Rot. Der GdP wurde kurzerhand ein Deal angeboten, als hätte Rot-Rot nicht genug Baustellen: Wenn die Gewerkschaft die Einmalzuschlag von 2000 Euro annimmt, werde die 1996 abgeschaffte freie Heilfürsorge für Polizisten, mit der das Land die Krankheitskosten trägt, wieder eingeführt. Das Beihilfesystem – zur Hälfte Zuschüsse, zur Hälfe eine private Krankenversicherung – würde damit wieder abgeschafft. Kostenpunkt: Sieben Millionen Euro. (Mit dpa)
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