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Brandenburg: Polizei will Statistik-Regeln im Bund anpassen

Innenminister Holzschuher legt sich fest: Kriminalitätsstatistik wurde nicht geschönt. Bundesregeln sollen geändert werden

Stand:

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) und Polizeipräsident Arne Feuring haben eingeräumt, dass in der Polizeidirektion West per Dienstanweisung von den bundeseinheitlichen Richtlinien des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Kriminalitätsstatistik abgewichen wird. Holzschuher wies allerdings den im RBB-Politikmagazin „Klartext“ erhobenen Vorwurf zurück, dass beim Erfassen von Straftaten die Statistik geschönt und manipuliert wurde. Vielmehr kritisierten er und Feuring, dass die Dienstanweisung nicht landesweit abgestimmt wurde und seit August 2013 nur in einer Direktion galt. Jetzt soll das Landeskriminalamt sogar eine ähnliche und landesweit geltende Richtlinie erarbeiten.

Wie berichtet haben Kripobeamte die Dienstanweisungen publik gemacht, die Tricksereien bei der Kriminalitätsstatistik belegen sollen, und erklärten, dass die Aufklärungsquote ohne beschönigende Eingriffe nur bei 40 Prozent statt bei 54 Prozent liegen würde.

Holzschuher und Feuring wiesen diesen Vorwurf zurück. Die Dienstanweisung aus der Polizeidirektion West sei plausibel, sachgerecht und in Einklang mit der BKA-Richtlinie zur Erfassung von Straftaten. Die BKA-Vorgaben, die eine bundesweit einheitliche und damit vergleichende Kriminalitätsstatistik in den Ländern sicherstellen soll, lasse allerdings zu viel Interpretationsspielraum zu und bereite den Beamten Probleme bei der Auslegung. Etwa bei der Frage, ob bei mehreren Autoeinbrüchen und Diebstählen im selben Straßenzug an einem Tag nur eine Anzeige aufgenommen wird oder mehrere. Im Fachjargon ist dann die Rede von Tateinheit oder Tatmehrheit. Die Polizei müsse für die Statistik entscheiden, ob es sich um eine Serientat oder Einzeltaten handele, sagte Feuring. Die Regeln seien teilweise jedoch sehr kompliziert und seit Jahren Gegenstand bundesweiter Diskussionen. Die Dienstanweisung sei daher als Hilfestellung zu verstehen.

Holzschuher und Feuring kündigten an, dass Brandenburg nun in der „AG Kripo“, die an die Innenministerkonferenz angegliedert ist, ebenso auf Änderungen drängen – im Sinne der Dienstanweisung aus der Polizeidirektion West und der nun folgenden landesweiten Neuregelung.

Der Jurist Wolfgang Heinz, der die Bundesregierung in Sachen Kriminalstatistik berät, hielt gegenüber dem RBB jedoch an seiner Darstellung fest, dass die Anweisung von den bundeseinheitlichen Richtlinien abweiche und „zu einer Reduzierung der Zahl der erfassten Fälle“ führe. Er warnte vor Verzerrungen in der Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern: Die Kriminalitätsstatistiken seien nur valide, wenn diese einheitlich angewendet werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte mehr Transparenz. „Der Bürger und die Öffentlichkeit haben ein Recht auf eine nachvollziehbare Statistik“, sagte Brandenburgs GdP-Chef Andreas Schuster. „Überall dort, wo es Verschiebungen gibt, ruft dies Misstrauen hervor.“ Er bezeichnete einige Zählweisen als schwer nachvollziehbar – beispielsweise die von Einbrüchen.

Im Innenausschuss des Landtags gab sich die Opposition mit den Erklärungen Holzschuhers nicht zufrieden: „Die schlechten Zahlen in der Kriminalitätsentwicklung sollten wohl schlichtweg schöngerechnet werden. Das ist ein Betrug am Bürger “, sagte CDU-Fraktionschef Michael Schierack. „Der Innenminister konnte die im Raum stehenden Vorwürfe nicht entkräften“, meinte jedoch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Ursula Nonnemacher. Gerade vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die Polizeistrukturreform ist der Verdacht auf neuerliche Unregelmäßigkeiten oder gar Manipulationen für das Vertrauen in die brandenburgische Polizei verheerend.“

Erst vor wenigen Wochen war die Brandenburger Polizei in die Kritik geraten, weil der Chef der Cottbuser Inspektion die Einsatzbearbeiter der Leitstelle in einer Dienstanweisung zum Tricksen aufgefordert hatte. Einsätze sollten – mit Hinweis auf die miese Statistik – verzögert im Computersystem vermerkt werden, um die Zeit künstlich zu verkürzen, die zwischen dem Notruf und der Ankunft eines Funkwagens am Tatort vergeht. Polizeipräsident Feuring stellte daraufhin klar, dass derartige Praktiken nicht geduldet werden.

Polizeipräsident Feuring bezeichnete es in einem internen Mitarbeiterbrief als inakzeptabel, dass Beamte anonym gegenüber „Klartext“ Kritik an der Polizeistatistik geäußert haben. Dieses Vorgehen beschädige das Ansehen der Polizei. Feuring rief die Beamten auf, Probleme an die Vorgesetzten zu melden. „Es ist die Pflicht der Mitarbeiter, Vorgesetzte über Widersprüche zu informieren“, schrieb Feuring. Die Beamten hätte keine persönlichen Nachteile zu erwarten. Auch seine Tür stehe offen.

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