Braunkohle-Protest in Proschim: Proteste und Gutachten
In Proschim protestierten 300 Braunkohlegegner gegen die Abbaggerung. Kohle-Befürworter kontern mit einem Gutachten.
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Proschim/Dresden - Mehr als 300 Braunkohlegegner haben am Samstag in Proschim (Spree-Neiße) gegen neue Braunkohletagebaue in der Lausitz demonstriert. Als Zeichen ihres Protestes formierte sich die Menschenmasse auf dem Sportplatz des Dorfes zu einem überdimensionalen gelben X, ursprünglich ein Symbol der Anti-Atom-Bewegung, nun Zeichen des Kohlewiderstands.
„Braunkohle hat keine Zukunft mehr. Das haben zuletzt die G7-Beschlüsse und die Enzyklika des Papstes unterstrichen. Davor darf auch Dietmar Woidke nicht die Augen verschließen“, sagte Greenpeace- Sprecher Felix Herrmann. Brandenburg müsse endlich den Braunkohleausstieg beschließen und den Strukturwandel voranbringen. Rund 800 der knapp 4000 Einwohner von Welzow wären von einer Umsiedlung betroffen. Das seit dem Mittelalter existierende Dorf Proschim würde von der Landkarte verschwinden.
Die rot-rote Landesregierung hatte im Juni 2014 grünes Licht für den neuen Tagebau Welzow-Süd II gegeben. Allerdings ist ungewiss, ob es dazu – wie geplant im Jahr 2025 – noch kommt. Der schwedische Mutterkonzern Vattenfall will seine Lausitzer Braunkohlesparte verkaufen, weil diese wegen des hohen Kohlendioxid-Ausstoßes nicht mehr in die Klimaschutzstrategie des Konzerns passt. Als aussichtsreiche Käufer gelten zwei tschechische Energiekonzerne. Allerdings gibt es auch in Schweden Widerstand. Der Rechnungshof und die mitregierenden Grünen kritisierten den Verkauf, weil damit das eigentliche Ziel, der Klimaschutz, nicht erreicht werde. Belastet werden die Verkaufsverhandlungen zudem durch die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplante Klimaabgabe für ältere Kohlekraftwerke. Investitionen liegen deshalb auf Eis. Vattenfall und Brandenburgs Ministerpräsident Woidke warnen vor einem Strukturbruch, weil ab 2017 die Hälfte der Produktionskapazitäten in der Lausitz stillgelegt und die Belegschaft entlassen werden müsse.
Sachsens Landesregierung versucht indes, das zentrale Argument der Klimaschutzabgabe mit einem Gutachten in Zweifel zu ziehen. Demnach sei die Braunkohleverstromung in Ostdeutschland gar kein Hemmnis für die langfristigen Ziele zur Senkung des CO2-Ausstoßes. In einer am Sonntag veröffentlichten Studie kommt der Berliner Ökonomie-Professor Georg Erdmann zu dem Ergebnis, dass die Kraftwerke des Lausitzer und Mitteldeutschen Reviers ihren Kohlendioxidausstoß bis 2050 planmäßig um 95 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Das geschehe aber nicht linear. So gebe es nach dem kräftigen Rückgang am Anfang derzeit eine Plateau-Phase mit nur leicht sinkenden Emissionen. Ab 2030 erwartet Erdmann eine Beschleunigung. Wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien geht er von einem steten Rückgang der Jahresvolllaststunden bis 2040 auf 60 Prozent aus. Ohne neue Investitionen in Anlagen und Tagebau wäre 2062 Schluss mit der Braunkohleverstromung in Ostdeutschland.
In Brandenburg ist Erdmann kein Unbekannter. Sein Gutachten im Auftrag des früheren Wirtschaftsministers Ralf Christoffers (Linke) musste maßgeblich zum Regierungsbeschluss für den Tagebau Welzow-Süd II herhalten. Demnach wäre die Braunkohle aus dem neuen Tagebau für die Energieversorgung und zur Flankierung der Energiewende unbedingt nötig. Ein Gegengutachten im Auftrag der damaligen Umweltministerin Anita Tack (Linke) hatte dagegen die energiepolitische Notwendigkeit des neuen Tagebaus bestritten und festgestellt, dass Brandenburg durch die Pläne die selbst gesteckten Klimaziele nicht einhalten kann.
Durch Erdmanns neues Gutachten sieht sich Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in seiner bisherigen Haltung bestärkt, dass die Ost-Braunkohlekraftwerke das Klimaziel auch ohne die angestrebte Zusatzabgabe erfüllen. (mit dpa)
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