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Vogelsänger stellt Förderung um: Reaktion auf Affäre um pro agro und EU-Anfrage

Potsdam - Jörg Vogelsänger ist wieder voll in seinem Element. Bald darf Brandenburgs Agrarminister wieder auf der Grünen Woche Würste verkosten, am Bierglas nippen, vom Obstwein, süßes Gebäck oder Bio-Joghurt- Dessert kosten.

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Potsdam - Jörg Vogelsänger ist wieder voll in seinem Element. Bald darf Brandenburgs Agrarminister wieder auf der Grünen Woche Würste verkosten, am Bierglas nippen, vom Obstwein, süßes Gebäck oder Bio-Joghurt- Dessert kosten. Am Mittwochvormittag verkündete Vogelsänger, dass diesmal 200 Aussteller in der Brandenburg Halle bei der Agrarmesse Grüne Woche vom 15. bis 24. Januar dabei sein, Agrarbetriebe und Direktvermarkter mit ihren Produkten werben, Landkreise, Pferdehöfe oder Landgasthäuser sich Touristen vorstellen werden. „Wir wollen das Land präsentieren und neue Kunden gewinnen“, sagte Vogelsänger (SPD). Immerhin stellt das Land 820 000 Euro für die Grüne Woche bereit. Unter dem Berliner Funkturm will er auch mit Vertretern Russlands sprechen – wegen des EU-Sanktionen und das Embargo der deutscher Milchprodukte leiden die Tierhalter und Milchbauern. Da erlaubt sich Vogelsänger auch mal einen Ausflug – verbal – in die internationale Politik und sagt: „Die Sanktionen treffen nicht Präsident Putin, sondern die Menschen in Russland. Die Sanktionen treffen nicht Kanzlerin Merkel, sondern die Milchbauern in Deutschland.“

Dabei hat Vogelsänger ganz andere Sorgen – im eigenen Haus, wegen der Fördermittelaffäre um den Lobbyverband pro agro. Am Nachmittag gibt sich der Minister aber ganz gelassen. Es gebe kein Beihilfe-Prüfverfahren der EU-Kommission wegen möglicher Verstöße gegen das Beihilfe- und Wettbewerbsrecht – und darauf lege er besonderen Wert. Eines aber sagt er nicht: Die erst Stufe auf dem Weg zu einem weitreichenden Prüfverfahren ist längst erreicht. Die Kommission bittet in einem Schreiben an die Bundesregierung, das diese an Brandenburgs Agrarressort weitergeleitet hat, um Auskünfte zur jahrelangen Förderung von pro agro. Es könne sich „möglicherweise um eine vorschriftswidrige staatliche Beihilfe handeln“, heißt es in dem Schreibern aus Brüssel. Darin erkundigt sich die Kommission, „ob die betreffenden Maßnahmen aus staatlichen Mitteln finanziert wurden, welche Laufzeit und welchen Geltungsbereich die Regelung hat und auf welche Rechtsgrundlage sie sich stützt.“

Das Problem: Jahrelang wurde pro agro vom Land als Dienstleister gefördert. Eine Ausschreibung gab es bis zum August nach einer Rüge des Landesrechnungshofes nicht. Stattdessen wurden EU-Gelder per Projektförderung einfach an pro agro ausgereicht, laut Rechnungshof nicht immer mit genauer Prüfung des Zwecks. Nun will das Agrarressort offenbar größeren Schaden vermeiden – und hat die Gelder für Organisationen im ländlichen Raum wie Landfrauen, Landjugend und die Landwirtschaftsschulen auf eine institutionelle Förderung umgestellt, die nicht mehr mit EU-Geldern, sondern nur noch mit Landesgeldern bestritten wird. „Wo es beihilferechtlich möglich ist, werden wir diese Organisationen zunächst befristet institutionell fördern“, so Vogelsänger „Wir werden dann zum Haushalt 2017/18 offiziell anmelden, dass wir eine dauerhafte institutionelle Förderung begehren.“ Grünen-Agrarexperte Benjamin Raschke vermutet, Vogelsänger habe wegen der EU- Anfrage Sorge vor weiteren Förderaffären.

pro agro geht übrigens künftig nicht leer aus. Nach der ersten Ausschreibung überhaupt infolge der Rechnungshofprüfung gab es nun den Zuschlag für pro agro, ein weiterer Bieter zog sich zurück. 447.115 Euro bekommt pro agro im Jahr 2016. Alexander Fröhlich

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