Von Susann Fischer: Rechte auf dem Rückzug
Ende von Deutschlandpakt schwächt Rechtsextreme / Verfassungsschützer gehen von Wahlniederlage aus
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Potsdam - Die Aufkündigung des sogenannten Deutschlandpakts zwischen NPD und DVU wirkt sich nach Ansicht von Verfassungsschützern nachteilig für die rechtsextremen Parteien aus. Brandenburgs Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber betonte am Freitag in Potsdam, der Bruch des Deutschlandpakts schwäche das rechtsextremistische Lager. Ähnlich äußerte sich Sachsen-Anhalts Verfassungsschutzchef Volker Limburg. Seiner Ansicht nach habe die NPD die DVU verdrängt, sei aber selbst kaum regional verwurzelt.
Schreiber und Limburg stellten erstmals ein „Gemeinsames Lagebild Rechtsextremismus“ von Brandenburg und Sachsen-Anhalt vor. Demnach sind die Akteure der rechtsextremistischen Szene in beiden Ländern kaum miteinander vernetzt. Lediglich Rechtsextreme im Havelland und im Jerichower Land arbeiteten hin und wieder zusammen.
Limburg betonte, die NPD gaukele der Öffentlichkeit lediglich eine lokale Verankerung vor. In Wirklichkeit sei die Partei im Wahlkampf auf die Hilfe anderer Rechtsextremisten angewiesen. Dazu zählen besonders eher parteifern organisierte Neonazis.
Schreiber sagte, die NPD habe im Schutz des Deutschlandpakts ihre Strukturen ausgebaut. Der DVU dagegen sei das nicht gelungen. Deswegen halte die NPD den Pakt nun für überflüssig und trete mit eigenen Kandidaten bei Wahlen an. Allerdings werde eher keine der beiden Parteien in Brandenburg die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.
Michael Kohlstruck vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin betonte, das rechte Wählerpotenzial teile sich mit der Aufkündigung des Deutschlandpaktes auf zwei Parteien auf. Das könne Niederlagen für beide zur Folge haben. Einerseits werde die DVU ohne die Unterstützung der NPD Wähler verlieren. Andererseits würden bisherige DVU-Wähler nicht unbedingt für die radikalere NPD stimmen. Zudem hätten beide Parteien finanzielle Schwierigkeiten, ihre Wahlkämpfe könnten damit weniger intensiv ausfallen als früher.
Dass die NPD in Brandenburg bislang nicht solche Strukturen aufbauen konnte wie in Sachsen, führt Kohlstruck auf deren relativ dünne Personaldecke sowie den Widerstand von Politik und Gesellschaft zurück. Seit den 90er Jahren sei eine demokratische Infrastruktur aufgebaut worden, die schnelle und kompetente Reaktionen auf rechtsextremistische Tendenzen ermögliche.
Gabriele Schlamann vom Mobilen Beratungsteam (MBT) im Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung sagte, bislang habe die DVU von der Basisarbeit der NPD profitiert. Das sei mit dem Bruch des Deutschlandpakts hinfällig. So werde die DVU weitaus weniger Wahlkampf machen können als in den Vorjahren. Die NPD wiederum sei zwar recht aktiv, allerdings habe sie nach Beobachtungen des MTB bei ihren Wahlkampfauftritten kaum Zulauf. Eine Entwicklung, die auch das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap seit längerem beobachtet. Auf Bundesebene gebe es schon seit geraumer Zeit kaum noch Wähler, die sich für rechtsextreme Parteien interessierten, bestätigt Infratest-Geschäftsführer Richard Hilmer in Berlin. Auf Landesebene werde es für die DVU wie für NPD durch die Konkurrenz „sehr kompliziert“, beobachtet Hilmer in regelmäßigen Länderumfragen und bei der Sonntagsfrage.
Eine Ausnahme ist Sachsen, wo die NPD ihren organisatorischen Schwerpunkt besitzt und die größten Erfolge in der Wählergunst verzeichnet. Gefahren erwachsen für die NPD dort aber nach Ansicht des Meinungsforschers „aus internen Querelen und finanziellen Problemen“. Und noch ein Trend spielt gegen die Parteien am rechten Rand: Verfassungsschützer beobachten, dass sich der rechtsextreme Nachwuchs inzwischen lieber in lockeren Internetnetzwerken als in festen Parteistrukturen engagiert. Statt auf Parteitagen trifft sich die Szene bei rechtsextremen Konzerten. Die allerdings florieren.
Nach Angaben von Schreiber haben die NPD 300 und die DVU 200 Mitglieder in Brandenburg. Limburg betonte, in Sachsen-Anhalt habe die DVU nach ihrem großen Wahlerfolg von 1998 mit 12,9 Prozent rapide an Bedeutung verloren. Zugleich habe die NPD kaum Mitglieder gewinnen können. Die Zahl der Mitglieder rechtsextremistischer Parteien in Sachsen-Anhalt sei zwischen 2007 und 2008 von 350 auf 280 gesunken. Die Zahl der nicht organisierten Neonazis sei von 270 auf 240 zurückgegangen. Es werde eine Intellektualisierung der NPD beobachtet. So engagierten sich mehr Studenten in der Partei.
Die Linksfraktion im Potsdamer Landtag forderte, dem lobenswerten gemeinsamen Lagebild müsse auch eine engere länderübergreifende Zusammenarbeit folgen. „Rechtsextremismus macht nicht an den Landesgrenzen Halt“, sagte Abgeordneter Andreas Bernig. „Gerade im Norden, aber auch im Süden des Landes Brandenburg, gibt es immer wieder Versuche von Rechtsextremisten, in Brandenburg aktiv zu werden. Rechtsextremisten würden versuchen, Versammlungsverbote in dem jeweils anderen Land zu umgehen. Bernig warnte vor einem weiteren Personalabbau bei der Polizei. Ohnehin sei die Aufklärungsquote rechtsextremistisch motivierter Gewaltstraftaten seit 2005 um 8,7 Prozent von 91,8 auf nun 83,1 Prozent gesunken. (mit dpa/AFP)
Susann Fischer
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