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Abgerissen. Das Haus in dem die Ermittler des BKA nach Informationen der PNN die Adressliste fanden, wurde Ende November abgerissen. Hier in Zwickau versteckten sich die mutmaßlichen Serienmörder Uwe Boehnhardt und Uwe Mundlos.

© Uwe Meinhold/dapd

Brandenburg: Rechte Terrorzelle sammelte Adressen

Neben Abgeordneten, Asylbewerberheimen und Waffenhändlern stehen auch Brandenburgische Minister auf der jetzt aufgetauchten Liste

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Potsdam - Es ist ein gewaltiges Sammelsurium aus Namen und Adressen, das in Zwickau in der ausgebrannten Wohnung der rechtsextremen Terrorzelle um Uwe Mundlos zum Vorschein kam. Auf einer Liste haben die Mitglieder des selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ Daten von Politikern und Wahlkreis- oder Parteibüros gesammelt – auch in Brandenburg. So tauchen unter anderem auch die Adressen von Innenminister Dietmar Woidke oder Bildungsministerin Martina Münch (beide SPD) auf.

Wie Ingo Decker, Sprecher des märkischen Innenministeriums bestätigte, wurden insgesamt 198 Datensätze aus Brandenburg von Bundes- und Landtagsabgeordneten, kirchlichen Institutionen, Einrichtungen der Bundeswehr, Asylbewerberheimen und Waffenhändlern auf der Liste entdeckt. „Die Adressen kommen aus ganz Brandenburg, von der Uckermark bis zur Spree-Neiße-Grenze“, sagte Decker. Eine Gefährdung für Personen und Objekte bestehe allerdings nicht, es seien keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden. Die Liste mit mehr als 10 100 Datensätzen aus ganz Deutschland sei Brandenburg vom Bundeskriminalamt bereits im November zur Verfügung gestellt worden. Das Landeskriminalamt habe die Liste ausgewertet. Anschließend seien alle Betroffenen Anfang Dezember schriftlich informiert worden.

Bei den Betroffenen handele es sich hauptsächlich um Politiker oder Büros der drei großen Parteien in Brandenburg – SPD, Linke und CDU. Das Bundeskriminalamt gehe davon aus, dass die Liste bereits vor fünf oder sechs Jahren erstellt wurde. „Die Ermittlungen laufen noch“, sagte Decker. Auf der Liste seien Adressen zu finden, die aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie dem Internet oder dem Telefonbuch stammen. „Es ist bis jetzt unklar, welchen Zweck die Liste hatte“, sagt Decker.

Die betroffenen Landtagsabgeordneten seien vom Innenminister informiert worden, alle anderen vom Polizeipräsidium. Die Behörden seien sensibilisiert. Allen Betroffenen seien Telefonnummern mitgeteilt worden, an die sie sich im Zweifel wenden könnten, falls ihnen nur der kleinste Hinweis auf eine mögliche Bedrohung vorliegt, erklärte der Sprecher. Zu einzelnen Namen auf der Liste wollte Decker keine Angaben machen.

Bildungsministerin Münch kündigte an, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ich habe mich seit 15 Jahren in Cottbus gegen Rechts engagiert“, so Münch, „ungeachtet von irgendwelchen Einträgen in Listen oder Drohungen, werde ich diese Arbeit fortführen“, sagte sie .

Bekannt ist, dass auch der CDU-Landtagsabgeordnete Ingo Senftleben auf der Liste zu finden ist. Für Senftleben war das ein Schock. Um seine Familie nicht zu verunsichern, behielt er es zunächst für sich. „Es ist keine alltägliche Situation, dass man plötzlich in eine bundesweite Debatte um eine Nazi-Terrorzelle rutscht“, so Senftleben. Er könne nur spekulieren. „Ich habe mich in den vergangenen Jahren gegen Rechts engagiert, dass das dem einen oder anderen missfällt, kann ich mir lebhaft vorstellen.“ Ändern wolle er an seiner Haltung gegen Rechts nichts. Dennoch ist Senftleben beunruhigt. Er sei in keinem sozialen Netzwerk angemeldet und auch nicht im Telefonbuch zu finden. „Das Internetzeitalter birgt enorme Risiken.“ Senftleben kritisierte, dass Abgeordnete viele Informationen preisgeben müssten. „Der gläserne Abgeordnete, das ist ein Wahn geworden“, so Senftleben.

Ein Mitarbeiter der CDU sagte gegenüber den PNN, es seien zahlreiche Adressen von Wahlkreisbüros der Partei auf der Liste zu finden, darunter auch der des Kreisverbandes Elbe-Elster. Beunruhigt ist auch der Linke-Bundestagsabgeordneter Wolfgang Neskovic. Sein Name stehe zwar nicht auf der Liste, dafür die Adresse der Kreisgeschäftsstelle der Linken in Cottbus, sagte er den PNN. „Ein gutes Gefühl ist das nicht“, so Neskovic. Dennoch sehe auch er derzeit keine ernsthafte Bedrohung. „Der Weg von einer Adressliste bis zu einem tatsächlichen Anschlag ist lang“, so Neskovic.

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