Verwaltung in Brandenburg: Reformen übers Land
Vom Landesamt in die Kreisverwaltung: Brandenburgs rot-rote Landesregierung legt ihre Pläne für zweite Stufe des Umbaus der Landesverwaltung vor. Die Tücken stecken im Detail.
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Potsdam - Mit dem nächsten Aufschlag kommt der nächste Ärger: Das Innenministerium unter Minister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat inzwischen auch das mit Spannung erwartete „Gesetz zur Funktionalreform 2020 im Land Brandenburg“ fertiggestellt, für das im Schatten der Kreisreformdebatte, bislang kaum beachtet, ebenfalls das Anhörungsverfahren läuft. Mit dem 304-Seiten-Gesetzentwurf, der dieser Zeitung vorliegt, sollen 22 bisherige Aufgaben von Landesbehörden – im Naturschutz, dem Landesforst, der Heimaufsicht – mit rund 900 Mitarbeitern, Gebäuden, Technik auf die künftigen Großkreise übertragen werden.
Alles wird weiter vom Land bezahlt, so sieht es die Verfassung vor, was nach den Berechnungen laut Gesetzentwurf rund 33,6 Millionen Euro jährlich ausmacht. Für manchen betroffenen Landesdiener könnte sich das lohnen, denn die Kommunen zahlen besser als das Land. Mit der Reform werde „die kommunale Selbstverwaltung gestärkt“, heißt es im Papier. Ziel seien auch „eine Verkürzung und Vereinfachung von Abläufen und Wegen“ für Bürger und Verwaltung.
Pläne für die 2020 geplante Kommunalisierung von Landesaufgaben
Damit wird nun auch die zweite Stufe der umstrittenen rot-roten Kreisgebiets- und Verwaltungsreform konkreter, für die Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und die rot-rote Regierung im Mai die nötigen Kabinettsbeschlüsse fassen wollen. Schon gegen die rot-roten Pläne, die Kreisstrukturen aus dem Jahr 1993 mit 14 Kreisen und vier kreisfreien Städten ab 2019 auf zehn Gebietskörperschaften zu straffen, hat eine Volksinitiative rund 130 000 Unterschriften gesammelt. Es läuft auf einen Volksentscheid hinaus. Nun folgen die Pläne für die 2020 geplante Kommunalisierung von Landesaufgaben. Die stößt nun ebenfalls auf Kritik, und zwar in den Behörden und der Kommunalebene.
Im Gesetzentwurf ist das Innenministerium bei der Kommunalisierungs-Liste mit 22 Landesaufgaben geblieben, die auch in dem im Juli 2016 vom Landtag beschlossenen Leitbild für die Reform enthalten waren. Es sind keine gestrichen worden, auch keine hinzugekommen. Wie bei den Kreisgrenzen, wo dem Vernehmen nach etwa der Kreis Dahme-Spreewald doch selbstständig bleiben könnte und im Süden vom Mega-Lausitzkreis abgesehen wird, soll es aber auch bei der Funktionalreform Nachbesserungen geben.
Landesamt für Soziales und Versorgung soll aufgeteilt werden
So zeichnet es sich nach PNN-Recherchen inzwischen bereits ab, dass die Ministerialen in einem zentralen Punkt wohl umsonst gearbeitet haben: Es geht um das Landesamt für Soziales und Versorgung in Cottbus, das nach den bisherigen Plänen ebenfalls kommunalisiert, dabei allerdings nicht zerschlagen, nicht auf die Kreise aufgeteilt werden soll. Stattdessen soll aus dem Landesamt ein „Kommunaler Sozialverband Brandenburg“ gebildet werden, als Körperschaft des öffentlichen Rechtes, die dann die gleichen Aufgaben erfüllen würde wie das bisherige Landesamt.
Dafür hat das Innenministerium einen gesonderten Gesetzentwurf vorgelegt, allein 94 Seiten stark, der von Landkreistag wie auch dem Städte- und Gemeindebund strikt abgelehnt und am Ende wohl in den Papierkorb wandern wird. Denn es würde am Landesamt „ja nur das Schild ausgetauscht. Dann würden wir schweren Herzens auf diese Aufgaben verzichten“, sagt Jutta Schlüter, Sprecherin des Landkreistages, den PNN. Auch Karl Ludwig Böttcher, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, sieht das so. „Dann kann man es gleich lassen.“ Da die Regierung den Sozialverband nicht gegen die Kommunalebene verordnen will, dürfte das bisherige Landesamt für Versorgung und Soziales in seiner bisherigen Form bestehen bleiben. Die Folge wäre, dass rund 400 Mitarbeiter weniger von der Reform betroffen wären. Übrig blieben noch rund 500, davon die meisten aus dem Forstbereich, was bei aktuell rund 45 000 Landesbediensteten eine überschaubare Größenordnung ist.
Trotzdem ist die Verbindung von Kreisgebiets- und Funktionalreform eines der komplizierten Gesetzesvorhaben der jüngeren Landesgesichte, mit vielen Tücken und Fallstricken im Detail. Allein mit dem Gesetz zur Aufgabenübertragung an die Kreise müssen gleichzeitig rund 40 andere Gesetze und Verordnungen verändert werden, damit kein Rechtschaos entsteht. Für jede einzelne Aufgabe wurde genau ermittelt, welche Kosten dafür das Land bisher trägt, etwa beim Personal.
"Massiver Nachbesserungsbedarf"
Landkreistag und Städte- und Gemeindebund, sonst selten einer Meinung, lehnen wie bereits das Kreisneugliederungsgesetz auch den Entwurf zur Funktionalreform ab. „Da gibt es massiven Nachbesserungsbedarf“, sagte Jutta Schlüter vom Landkreistag. So seien die Finanzierungsregelungen unbefriedigend. Und Städtebund-Geschäftsführer Böttcher weist darauf hin, dass man von Kommunalisierung kaum reden könne. So sollen mit den Landesaufgaben viele der bisherigen Landesbediensteten nur auf dem Wege der „Personalgestellung“ in die Kreise wechseln, also Landesbedienstete bleiben. „Und oft bleibt auch das Weisungsrecht beim Land“, sagt Böttcher. „So kann man das nicht machen.“
Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kann den Plänen nichts abgewinnen. GEW-Chef Günther Fuchs warnte davor, den Schulpsychologischen Dienst in Brandenburg und die Heimaufsicht – beide im Gesetz – auf die Kommunalebene zu übertragen. „Das grundlegende Problem besteht darin, dass in Brandenburg auf einen Schulpsychologen 10 000 Schüler kommen. Der bundesweite Durchschnittswert beträgt 5000“, sagte Fuchs. „Es bringt nichts, den Mangel auf die Kommunen zu übertragen.“ Im Gegenteil, mit der Konkurrenzsituation und unterschiedlichen Finanzlage der Kreise seien „staatliches Wächteramt und landeseinheitlicher Standard“ gefährdet.
Woidke hält an Kreisreform fest
Die rot-rote Regierung will Kurs halten, allenfalls die Pläne nachbessern. Erst am Dienstag hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) klargemacht, dass der dringend nötige Umbau der Verwaltung Brandenburgs nicht abgeblasen wird. In den rot-roten Reihen wird auch gar nicht bestritten, dass das Management, die Kommunikation der Reform bislang miserabel waren. „Wir besprechen das intern“, hatte Woidke dazu gesagt. „Sie werden es dann hoffentlich merken.“ Bis Mai ist nicht mehr viel Zeit.
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