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Brandenburger Landesregierung: Regierungshalbzeit: Im Vorwärtsgang ohne roten Faden?

Ministerpräsident Woidke bekräftigt Festhalten an Kreisreform. Opposition findet harte Worte

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Potsdam - Trotz des starken Gegenwinds, massiver Kritik der Landkreise und einer erfolgreichen Volksinitiative wird die Kreisgebietsreform nicht abgeblasen. Das sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Dienstag zur Halbzeitbilanz der rot-roten Landesregierung. Das zentrale Reformvorhaben sei notwendig angesichts sinkender Gelder von EU und Bund sowie wegen der drastischen Bevölkerungsentwicklung mit Alterung und Auseinanderdriften der Landesteile: Während in den berlinfernen Regionen die Einwohnerzahl sinkt, wird es im Speckgürtel um Berlin enger. Dort werde bald die Hälfte der Brandenburger leben, in Falkensee (Havelland) so viele Menschen wie in Frankfurt (Oder), sagt Woidke Eine Kreisverwaltung in den Randregionen für 50 000 Einwohner sei nicht effizient.

Woidke zeigte sich aber gesprächsbereit, um mit der Volksinitiative gegen die Kreisreform einen Kompromiss zu finden. Aber dafür müsse die Volksinitiative gesprächsbereit sein. „Meine Bedingung: Ein kategorisches Nein ist keine Gesprächsbasis“, sagte Woidke. Sein Regierungsvize, Finanzminister und Linke-Landeschef Christian Görke, bemerkte, noch unter der großen Koalition seien bei der Volksinitiative für eine bessere Kita-Betreuung 150 000 Unterschriften gesammelt worden, auf Druck der CDU sei diese aber für unzulässig erklärt worden.

Den von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) veröffentlichten Referentenentwurf zur Kreisreform, der von den Landkreisen auf breiter Front abgelehnt wurde, nannte Woidke nur eine Vorstufe, ein Arbeitspapier. Bis zum Kabinettsbeschluss Ende Mai werde es noch Änderungen geben. „Es gibt Dinge, die man deutlich besser hätte machen können. Das beraten wir intern“, sagte Woidke.

Ansonsten fanden der Regierungschef und Görke vor allem Eigenlob für die Arbeit von Rot-Rot seit der Landtagswahl 2014. Woidke sprach von erfolgreichsten Legislatur für Brandenburg seit Landesgründung vor 27 Jahren. Es sei ein „starkes und lebenswertes Land im Vorwärtsgang“. Der Regierungschef und Görke verwiesen auf stabile Finanzen, Tiefststände bei der Arbeitslosigkeit, mehr Jobs, Brandenburgs Spitzenplatz beim Wirtschaftswachstum. Zu ihrer Bilanz zählten sie auch ein Plus von 1000 Lehrern, einen besseren Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten und den geplanten Einstieg in die Entlastung der Eltern bei den Kita-Beiträgen. Reserven sieht Görke für die zweite Hälfte der Legislatur bei der Armutsbekämpfung, jedes fünfte Kind sei von Armut betroffen. Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers will die Mobilitätsstrategie und den Nahverkehr anpacken.

Lob von der CDU bekam Rot-Rot nur für die Aufstockung der Polizei und der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Ansonsten gab es harsche Kritik: „Die Landesregierung ist ein Kabinett bestehend aus blassen Bürokraten. An der Spitze ist der blasseste Bürokrat“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann. Die Regierungsriege „blutarmer Bürokraten“ sei wenig selbstbewusst, beschäftige sich nur mit sich selbst und löse nicht die Probleme der Bürger. Rot-Rot profitiere von einer guten Wirtschaftslage auf Bundesebene, habe aber keinen Anteil daran und sorge nicht für die nächste Generation vor, etwa beim Schuldenabbau. „Das Kabinett verwaltet, lebt in den Tag hinein. Es fehlen Meilensteine“, sagte Redmann. Die Kreisreform bewirke das Gegenteil, was Rot-Rot bezwecke, ländliche Regionen würden schlecht geredet und noch weiter abgehängt. Beim Breitbandausbau hinke Brandenburg hinterher, beim Nahverkehr sei eine bessere Anbindung an Berlin nötig, beim neuen Landesentwicklungsplan würden Gemeinden zum Schrumpfen gezwungen. Redmanns Note für die Koalition: „5 plus, stark versetzungsgefährdet“.

Die Grünen, die die Kreisreform unterstützen, machen sich sogar Sorgen um Rot-Rot. „Wir haben zunehmend den Eindruck, dass die Landesregierung dabei ist, das Thema in den Sand zu setzen“, sagte Fraktionschef Axel Vogel. Die Regierung treibe sich und das Land zur Verzweiflung. Ursula Nonnemacher, Parlamentarische Geschäftsführerin, hat Zweifel, dass die Kreisreform „zu einem sinnvollen Abschluss zu bringen“ ist. Rot-Rot sei dazu offenbar nicht in der Lage. Der Koalition fehle der rote Faden, sie habe von Beginn an das wichtigste Regierungsprojekt nicht richtig kommuniziert, handwerklich schlechte Gesetzesentwürfe vorgelegt. Der Ruf der Reform sei ruiniert.

Traditionell kritisch sehen die Grünen das Festhalten an der Braunkohle. Verheerend finden sie die Agrarpolitik, die Brandenburg in Verruf bringe. Durch Minister Jörg Vogelsänger (SPD) werde das Land trotz erfolgreichen Volksbegehrens gegen Mega-Ställe bundesweit als „Vertreter der industriellen Massentierhaltung“ und Hemmschuh beim Naturschutz wahrgenommen.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wollte „wenig Positives zu Rot-Rot“ einfallen. Seine Erklärung endete mit der „wachsenden Gefahr durch islamistische Gefährder“. Péter Vida, Sprecher der Gruppe Freie Wähler, kritisierte, dass das Problem der Altanschließer noch nicht gelöst sei. Es gebe Volksinitiativen am laufenden Band gegen zentrale Pfeiler der rot-roten Politik, die Regierungsbilanz sei alles andere als positiv.

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