Brandenburg: Rennen ums Flugfeld
Die Deutsche Tourenwagen-Masters will auf dem Tempelhofer Feld eine Rennstrecke bauen. Beobachter halten das für einen schlechten Scherz
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Berlin - Für einmal rundherum dürften die Rennwagen knapp zwei Minuten brauchen. Etwas kurz, aber man könnte ja noch die Startbahnen einbeziehen. Da ließe sich auch prima mehrspurig nebeneinander beschleunigen. Der relativ kugelrunde ehemalige Flughafen Tempelhof in Berlin als Autorennstrecke? Geht, sagen Motorsportfans. Geht unbedingt, man muss es nur wollen. Und das ist nun die Frage: Will Berlin 17 Jahre nach dem Schließen der Avus wieder eine Rennsportmetropole werden?
Die Organisatoren der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) halten das für eine gute Idee, sagen es aber nicht laut, um sie nicht gleich zu verbrennen. Auch mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe man schon darüber gesprochen, rein informell. Für die Liebhaber des Tempelhofer Parks - die Skater, Jogger, Drachenflieger und Raumpioniere – ist die Vorstellung einer Rennserie mit Motorenkrach und dunklen Abgasfahnen ein Graus. Die Gegner von Parkentwicklung und Ränderbebauung, die Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“, hält die DTM-Idee für einen Witz, wie ihr Sprecher Hermann Barges formuliert. Der sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Buchner, findet das Ansinnen spontan abwegig. Wenn die DTM ihre Überlegungen aber in ein „vernünftiges Konzept“ gießen würde, könne man sich damit ernsthaft beschäftigen.
Die DTM ist die populärste deutsche Autorennserie. Um nicht im Schatten der Formel 1 zu verschwinden, will sie nun stärker auf sich aufmerksam machen. So entstanden Gedankenspiele, man könnte die Austragungsorte von den Rennstrecken j.w.d. – wie dem Lausitzring – häufiger in die Großstädte bringen.
Allerdings ist dies eine sehr sensible Thematik, das weiß man auch in der DTM. Aufmerksamkeitsträchtige Rennen auf Innenstadtstraßen, wie sie die Formel 1 etwa in Monaco oder in Singapur betreibt, sind in Deutschland aus Sicherheitsgründen kaum noch realisierbar. In Berlin sind Auto- und Motorradrennen gänzlich aus der Stadt verschwunden. Begehrlichkeiten anderer Rennserien stand der Berliner Senat seither rigoros ablehnend gegenüber. Deswegen hat die DTM zunächst einmal ganz sachte beim Berliner Senat vorgefühlt, Reaktionen oder konkrete Verhandlungsgespräche haben sich daraus bisher nicht ergeben.
In der Berliner Innenstadt käme überhaupt nur das Tempelhofer Feld als Austragungsort infrage. Das Gelände erfüllt prinzipiell die Anforderungen für ein Rennen: Es bietet genug Platz für temporäre Zuschauertribünen und Auslaufzonen bei Unfällen. Allerdings müssten dafür weite Teile der Wiesen in Anspruch genommen werden, Flächen, die teilweise unter Naturschutz stehen.
Bisher wurden nur wenige kommerzielle Veranstaltungen auf dem Feld zugelassen. Ein Reitturnier, die Pyronale, zweimal im Jahr besetzt die Modemesse Bread & Butter Flughafen-Hangars und Vorfeld. Nicht-kommerzielle Events wie ein Drachenfestival und eine Campus- Party von Computerfreaks prägen das Image der „Tempelhofer Freiheit“ als Spielwiese für alternative und zukunftsweisende Projekte. Im nächsten Jahr soll ein „Schaufenster Elektromobilität“ auf der Freifläche südlich des Flughafengebäudes eröffnen. Die geräuscharmen Elektroautos sollen dann probeweise über die Rollbahnen düsen. Wenn schon klassische Rennsportveranstaltungen, dann würden sich die klimafreundlichen Radfahrer anbieten.
Als im November 2010 Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel ein paar Ehrenrunden auf der Straße des 17. Juni drehte, sollen 85 000 Menschen zugeschaut haben. Das Fanpotenzial der Hauptstadt ist demnach immens. Seit Jahren liefern sich Autotuner mit ihren tiefergelegten Golfs und 3er-BMWs illegale Autorennen auf öffentlichen Straßen am östlichen Stadtrand. Diese Hobbypiloten würden eine Rennstrecke auf dem Tempelhofer Feld sicher begeistert annehmen.
Der ADAC Berlin-Brandenburg richtet rund 100 Motorsportveranstaltungen im Jahr aus, fast alle finden in Brandenburg statt, auf Berlin entfallen nur zwei: die Oldtimer-Rallye auf der Avus und das Motorbootrennen auf der Regattastrecke vor Grünau. Der ADAC veranstaltet auch die DTM-Läufe auf dem Lausitzring – noch bis 2013, wie eine Sprecherin sagt.
Ein Jahr später könnte es theoretisch losgehen mit dem Rundkurs auf dem Ex-Flughafen. 2014 soll auch der Bau der Zentralbibliothek am westlichen Rand des Feldes beginnen. Lesen und Motorsport müssen sich nicht ausschließen – es gibt ja Schallschutzfenster.
Christian Hönicke und Thomas Loy
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