zum Hauptinhalt
Rot-Rot sagt jein. Die Gentechnik stößt bei vielen Bauern und Umweltschützern auf Ablehnung. Auch Brandenburgs Landesregierung will keinen Genpflanzen-Anbau – allerdings nur in der Landwirtschaft. Die Wissenschaft soll auch im Freiland forschen dürfen.

© dpa

Brandenburg: Rot-Rot im Gentechnik-Spagat

SPD und Linke wollen künftig stärker gentechnikfreie Regionen unterstützen, den Forschungsinstituten im Land aber Freilandversuche ermöglichen

Von

Stand:

Potsdam - Nach dem wegweisenden Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofes versucht die rot-rote Landesregierung Brandenburgs bei der sogenannten Grünen Gentechnik einen Spagat und wird dafür scharf attackiert. Zum einen wollen SPD und Linke künftig Zusammenschlüsse von Landwirten zu gentechnikfreien Regionen stärker unterstützten und eine finanzielle Förderung prüfen lassen. Auch sollen auf landeseigenen Flächen keine genmanipulierten Pflanzen angebaut werden dürfen. Zum anderen soll die Wissenschaft gentechnisch veränderte Pflanzen auch im Freien erforschen dürfen. Dies setzten die rot-roten Abgeordneten am Donnerstag mit ihrer Mehrheit im Umweltausschuss des Landtages durch und verhinderten damit einen Vorstoß der Grünen, die ein generelles Anbauverbot für Genpflanzen fordern.

Von der Opposition, aber auch vom Bauernbund Brandenburg wird der rot-rote Antrag heftig kritisiert. Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung bezeichnete das Papier als „Dokument der Inkompetenz“, FDP–Agrarexperte Gregor Beyer die Haltung der Koalitionäre als „Eiertanz“. Der Antrag von SPD und Linke „erweckt den Eindruck, dass es zwei Anträge sind“. Aber Rot-Rot müsse sich entscheiden, „was man will. Das ist wie ein Versuch, ein bisschen schwanger zu sein“.

Tatsächlich haben sich die Regierungsfraktionen nur auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ geeinigt, wie der Linke-Agrarexperte Michael-Egidius Luthardt sagte. „Auch wenn es nicht der große Wurf ist, es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, etwa bei der Unterstützung gentechnikfreier Regionen. Glücklich aber ist Luthardt mit dem Beschluss nicht. Gäbe es keine Koalitionsräson, hätten die Genossen dem Antrag der Grünen zugestimmt. Denn eigentlich ist die Linksfraktion gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und war selbst 2007 noch in der Opposition mit einem Verbotsantrag gescheitert. In der Koalition aber ließ sich die SPD lange Zeit mit einer Festlegung. Nach ihrem Willen soll die Forschung weiter möglich sein. Unbestritten ist, dass diesen Passus SPD-Agrarexperte Udo Folgart durchgesetzt hat, der zugleich Präsident des Landesbauernverbandes ist. Aus dem Umweltministerium, dessen Fachleute den zwiespältigen Beschluss mit Argwohn betrachten, wie auch aus der Linksfraktion hieß es, Folgart wolle damit den großen Agrarbetrieben zumindest eine Tür offen halten, um in der Zukunft doch noch Genpflanzen anbauen zu können. Derzeit gibt es weder Anbau noch Freilandversuche.

Wie berichtet steht die kommerzielle Nutzung der Grünen Gentechnik nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes praktisch vor dem Aus. Die Richter hatten Anfang September der Schadensersatzklage eines deutschen Imkers gegen das Bundesland Bayern stattgegeben, da sein Honig durch ein nahes Genpflanzen-Feld mit Gen-Pollen verunreinigt worden war und der Honig somit unverkäuflich wurde. Während Bio-Verbände, Naturschützer, Imker und konventionell wirtschaftende Bauern jubelten, kritisierten Wissenschaftler das Urteil als weiteres Hemmnis für die Gen-Forschung. Die Hürden für die Prüfung von Laborergebnissen unter Freilandbedingungen würden nochmals ordentlich nach oben verlagert und damit die Forschungsfreiheit weiter eingeschränkt, bemängelte etwa Ursula Roß-Stitt, Sprecherin des Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm.

SPD und Linke wollen die „Erforschung von Chancen und Risiken der modernen Gentechnik“ weiter unterstützen. „Dazu können auch experimentelle Freisetzungen in natürlichen Umgebungen erforderlich sein“, heißt es in dem Beschluss des Umweltausschusses. „Wir haben in Golm die Forschungskapazitäten und die müssen auch erhalten werden“, meint die SPD-Umweltexpertin Martina Gregor-Ness. Man könne nicht erst Fördergelder in die Forschung pumpen und dann deren Arbeit verbieten. „Ohne eine Form der Absicherung im Fall von gerechtfertigten Entschädigungsforderungen wird es aber wohl nicht gehen“, räumt Gregor-Ness ein. Denkbar wäre es, dass die betreffenden Institute entsprechende Fonds einrichten. Handele es sich um Aufträge der Industrie, müssten die entsprechenden Unternehmen haften.

Roß-Stitt vom Max-Planck-Institut findet den Vorschlag abwegig: „Werden zukünftig Forschungsgelder der öffentlichen Hand für diesen Fond bereitgestellt? Wer setzt fest, wie hoch der Betrag sein muss, der vorgehalten werden soll? Bezahlt nur das Institut in den Fond ein, das die Forschung durchführt, obwohl andere Forschungseinrichtungen später von diesen Ergebnissen profitieren?“ Überhaupt fühlen sich die Forscher von SPD und Linken völlig missverstanden. „Wir möchten klarstellen, dass wir nicht, wie es im Antrag heißt, die Chancen und Risiken der modernen Gentechnik und ihre Auswirkungen erforschen, sondern wir wenden Grüne Gentechnik an, als eine Methode um ein grundlegendes Verständnis über Pflanzen zu gewinnen“, betont Roß-Stitt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })