Brandenburg: Rot-Rot räumt Konflikt nicht ab
Trotz Millionensummen schwelt Besoldungs-Streit mit Gewerkschaften weiter. Klagewelle droht
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Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition kann trotz des Eingreifens von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), hastigen Korrekturen und Millionenaufschlägen den Konflikt mit den Gewerkschaften um den Ausgleich für rechtswidrigen Sold nicht abräumen. Das wurde am gestrigen Donnerstag im Finanzausschuss des Landtags deutlich. Die traditionell gewerkschaftsnahen Koalitionäre SPD und Linke müssen mit Protestaktionen und einer neuen Klagewelle von Beamten rechnen. Das kündigte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Schuster, an.
Wie berichtet hatte Rot-Rot bei einem Spitzengespräch am Dienstag versucht, den Streit mit einem Kompromissvorschlag zu entschärfen. Doch außer der Lehrergewerkschaft GEW lehnen GdP, Richterbund und andere den Vorschlag als unzureichend ab. Der Grund: Die Landesregierung selbst räumt in ihrem Gesetzesentwurf ein, dass der Sold für die Landesbeamten zwischen 2004 und 2014 zu niedrig und verfassungswidrig war.
Damit reagiert die Landesregierung auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu ähnlichen Regelungen in Sachsen-Anhalt und Sachsen. Ein Urteil auf Klagen aus Brandenburg steht noch aus. Dennoch will Rot-Rot vorsorglich nur allen rund 300 Beamten, die Widerspruch oder Klage eingereicht haben, den entgangenen Sold nachzahlen. Die ebenfalls vom Verfassungsbruch betroffenen restlichen Beamten sollen eine Attraktivitätspauschale von 2000 Euro – gestreckt bis 2020 – bekommen. Rein Rechtlich müssen tatsächlich nur die Beamten nachträglich ausgezahlt werden, die auch geklagt haben.
Einziger Knackpunkt: Die GdP lehnt die 2000 Euro von Rot-Rot als unzureichend ab. Sie fordert für alle Beamten einen Einmalzuschlag von 3000 Euro und würde im Gegenzug auf den Rechtsschutz für Mitglieder bei weiteren Klagen verzichten. Laut Schuster handelt es sich bei der 3000er-Marke um die untere Grenze des Machbaren. Die Polizeibeamten hätten zwischen 3800 und 10 000 Euro Verlust durch den verfassungswidrigen Sold zwischen 2004 und 2014 gemacht. Zwar war Rot-Rot bereits auf Forderungen der Gewerkschaften eingegangen, hatte nach einer verheerenden Anhörung vergangene Woche am Dienstag in einem Gespräch – mit Woidke, Finanzminister Görke und den Fraktionsspitzen der Koalition – nachgebessert. Zusätzlich zur bereits vereinbarten Übernahme des Tarifs für den öffentlichen Dienst von 4,35 Prozent in den Jahren 2017 und 2018 soll es von 2017 bis 2020 pro Jahr 0,5 Prozent mehr Sold geben. Erstmals will Rot-Rot im Besoldungsgesetz festschreiben, dass das Tarifergebnis für 2019/20 automatisch auf die Beamten übertragen wird. Inklusive des 2000- Euro-Zuschlags sind das Mehrausgaben für das Land von 375 Millionen Euro bis 2020. Doch bei der zentralen Frage, nämlich der „Wiedergutmachung für den Verfassungsbruch“, gab es keine Bewegung.
Woidke, der am Donnerstag auf Antrag der Opposition in den Finanzausschuss zitiert wurde, sprach von einem „abgewogenen Entwurf“ des Machbaren. „Am Ende muss es bezahlt werden. Es gibt auch in anderen Bereichen große Herausforderungen“. Es gehe nicht um gerechte Besoldung, sondern darum, den Brandenburger Beamtenjob im Wettbewerb mit anderen Bundesländern attraktiv zu halten. Der Kompromiss sei ein erster Schritt.
Woidke kündigte an, die 1996 abgeschaffte freie Heilfürsorge für Polizeibeamte wieder einzuführen. Wie berichtet hatte er auch versucht, die GdP damit zu ködern, was aber scheiterte, weil es kein Besoldungs-, sondern Beamtenrecht ist. Görke kündigte an, dass auch der einfache Dienst, die unterste Dienstebene, bei Justizvollzugsbediensteten abschafft werden soll. Die Koalitionsvertreter im Landtag erklärten, Rot-Rot habe eine Lösung gesucht, mit der durch generell höheren Sold „eine Lösung nach vorn“ gefunden wird.
GdP-Chef Schuster sprach von einem „schwarzen Tag für die Beschäftigten dieses Landes“. In feierlichen Reden werde „von guter Arbeit, Wertschätzung und Gerechtigkeit geredet“, die Realität sehe anders aus. Künftig werde „jeder Beamter jedes Jahr gegen seinen Sold Widerspruch einlegen in der Hoffnung, dass er auch etwas zurückbekommt, wenn wieder ein Urteil fällt“, sagte Schuster.
Der GdP-Chef und die CDU warfen Rot-Rot vor, die Gewerkschaften zu spalten und das Vertrauen der Beamten zu verspielen. Vor allem weil Rot-Rot mit der GEW wegen des Lehrermangels eine Zusatzregel vereinbarte. 6000 Oberschullehrer werden von Soldstufe A12 auf A13 angehoben, was monatlich 400 bis 600 Euro mehr macht und 30 Millionen Euro pro Jahr kostet. Schuster: „Ich kann keinem Beamten mit sechs Soldstufen tiefer, der draußen auf Streife sieben Tage die Woche 24 Stunden Schichtdienst macht, eine Waffe trägt, in Grundrechte eingreifen kann, erheblichen Gefahren ausgesetzt ist, erklären, dass er nun deutlich abgekoppelt wird und andere Berufs bevorteilt werden.“
nbsp;Alexander Fröhlich
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