Von Thorsten Metzner: Rot-Rot scheut kleinste Rotstift-Konflikte
Im Koalitionsstreit um Kadaver-Entsorgung und Gerichtsfusionen setzen sich Agrar- und Justizlobby durch
Stand:
Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierungs-Koalition bremst nun sparwillige Minister im Kabinett offen aus, um die jüngsten Konflikte zur Kadaver–Entsorgung und zur Gerichtsreform beizulegen. Dabei hatten Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Finanzminister Helmuth Markov (Linke) erst vor wenigen Wochen einen konsequenten Rotstift-Kurs angekündigt. Platzeck erklärte damals: „Es wird weh tun“. Und tatsächlich gibt es deshalb noch keine Verlautbarungen, wo etwa Bildungsministerin Martina Münch (SPD) rund 28 Millionen Euro und Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) 27 Millionen Euro einsparen wollen. Beide Häuser verfolgen die neuen Signale der rot-roten Koalition aufmerksam.
Am Dienstag bestätigten die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen Kerstin Kaiser (Linke) und Ralf Holzschuher (SPD), dass die von Umweltministerin Anita Tack (Linke) veranlasste Sofort-Streichung umstrittener Millionen-Zuschüsse für Agrargroßbetriebe zur Kadaverentsorgung ab diesem Jahr vom Tisch ist, obwohl damit ein Beschluss des Platzeck-Kabinetts zum Haushalt 2011 umgesetzt werden sollte. Stattdessen soll es einen Kompromiss zur stufenweisen Absenkung der bisherigen 2,6-Millionen-Zuschüsse geben, die Groß-Agrarunternehmen zur Entsorgung toter Milchkühe geben. „Man muss es nicht gleich auf Null fahren. Das kann stufenweise geschehen“, sagte Holzschuher. Dass die Linke entgegen einem geltenden Fraktionsbeschluss die eigene Ministerin im Regen stehen lässt, begründete Kaiser zum einen mit „massiven Protesten“ der Bauern, des SPD-Landwirtschaftsministers Jörg Vogelsänger - er war aus der Kabinettslinie ausgeschert - und der SPD–Seite. Die hatte, wie mehrfach berichtet, mit der Blockade des ersten Spar-Gesetzes eines Linke-Ministeriums gedroht. Zum anderen verwies Kaiser darauf, dass der Gesetzentwurf „mit Verspätung“ ins parlamentarische Verfahren gekommen sei. Tack konnte diese Aussagen nicht nachvollziehen. In ihrem geltenden Etat sind die 2,6 Millionen Euro, die für 2011 nun wohl fällig werden, nicht geplant. Tack: „Ich weiß nicht, woher ich das Geld nehmen soll.“
Auf der anderen Seite traf es im rot-roten Streit um die seit Jahren vertagte Gerichtsreform – die letzte war vor 18 Jahren – Innenminister Dietmar Woidke (SPD). Dem gehen die Pläne seines Justizkollegen Volkmar Schöneburg (Linke) nicht weit genug. Woidke hatte auf eine schnellere Anpassung der Landgerichtsbezirke an die neue Polizeistruktur und auf eine Fusion von Amtsgerichten gedrängt, was die SPD-Landtagsfraktion schon in der letzten Legislatur gefordert hatte. Aber nun stellte sich nicht nur die Linke-Fraktion hinter Schöneburg, der den 25 Amtsgerichten eine Bestandsgarantie gibt – und aus der Justiz vehemente Unterstützung erhält. Auch SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher unterstützte Woidke nicht. Er sagte, er kenne keine Position der SPD zur Verringerung der Zahl der Amtsgerichte. Stattdessen wiederholte er die Schöneburg-Argumentation: „Wenn bestimmte Fallzahlen unterschritten werden, kann es zu Schließungen kommen.“ Woidke drängt dagegen darauf, in der Justiz – wie in anderen Bereichen des Landes – die Strukturen rechtzeitig demografiefest zu machen. Auch zur laufenden, umstrittenen Polizeireform fasste die SPD-Regierungsfraktion einen Beschluss: Sie will die Volksinitiative für den Erhalt einer funktionsfähigen, im Land präsenten Polizei, die über 90 000 Unterschriften gegen Wachenschließungen gesammelt hatte, annehmen. Möglich ist dies, weil die Initiative allgemein formuliert ist. Die Zielzahl, dass Brandenburgs Polizei ab 2020 mit 7000 Polizisten auskommen müsse, 1900 weniger als jetzt, sei aber „zu halten“, so Holzschuher. Die Opposition regierte mit Spott auf den „rot-roten Schlingerkurs“, wie es FDP-Fraktionschef Andreas Büttner ausdrückte. „Es ist eine führungslose Regierung“, sagte CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig. Und Grünen-Chef Axel Vogel sagte nur, diese Regierung sei eben „nicht gerade ein Spitzenkabinett Deutschlands“.
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