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Nach Enthaltung im Bundesrat: Rot-Roter Koalitionskrach um Stasi-Check bei Polizisten
UPDATE. Die vom Bundesrat beschlossene Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes hat in Brandenburgs rot-roter Koalition einen ernsten Konflikt ausgelöst. Vize-Regierungschef Markov (Linke) widersprach mit scharfen Worten Innenminister Woidke (SPD), der mit den neuen Möglichkeiten des Gesetzes 33 Leiter von Polizeirevieren überprüfen lassen will.
Stand:
Potsdam – In Brandenburgs rot-roten Landesregierung ist ein offener Streit um die Stasi-Überprüfung von Polizisten ausgebrochen. Finanzminister Helmuth Markov (Linke), der zugleich Vizeregierungschef ist, wies die Pläne von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) scharf zurück, die erweiterten Möglichkeiten im Stasi-Unterlagengesetz zu nutzen.
Dem Gesetz, zu welchem sich Brandenburg am Freitag im Bundesrat gemäß der Absprache zwischen SPD und Linker enthalten hat, „kann man auch nicht im Nachhinein zustimmen“, sagte Markov. Sein Kabinettskollege könne das Gesetz daher auch nicht für sein Ressort zur Arbeitsgrundlage machen. In Brandenburg sei das geänderte Unterlagen-Gesetz nicht akzeptiert, insbesondere die „anhaltslose Überprüfung“ von Angehörigen des öffentlichen Dienstes und die Versetzung von etwa 45 früheren Stasi-Mitarbeitern in der Berliner Jahn-Behörde. „Ausdrücklich widersprechen wir der 'Lex Jahn’“, sagte Markov. Auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte sich im Vorfeld der Bundesratssitzung gegen die Novelle ausgesprochen, da die Ausweitung der Stasi-Checks ohne Anlass dem Ziel der Versöhnung nicht gerecht werde.
Dagegen hat Woidke am Freitag nach dem Bundesratsbeschluss angekündigt, jetzt auch die Leiter der 33 neuen Polizeireviere auf eine frühere Stasi-Tätigkeit in der DDR zu überprüfen.Nach mehreren Stasi-Skandalen in der Führungsebene der Polizei hatte der Innenminister in Gesprächen mit dem Chef der Unterlagenbehörde, Roland Jahn, auf eine Gesetzesregelung gedrängt, die dies möglich macht. Einen weiter reichenden Stasi-Check lehnte Woidke aber ab. Dem Tagesspiegel sagte er: „Eine erneute Regelanfrage wird es in der Polizei nicht geben.“ Die Möglichkeit der Überprüfung von Führungskräften halte er dagegen für notwendig. Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) will trotz einiger Stasi-Enthüllungen weiterhin keine Überprüfung von Richtern und Staatsanwälten durchführen.
Bislang ließ das alte, bis Jahresende befristete Gesetz die Überprüfung der Leiter der Wachen, die am 1. November im Zuge der Polizeireform zu Revieren umgewandelt wurden, nicht zu. Das Innenministerium war zwei Mal mit Anträgen bei der Stasi-Unterlagenbehörde gescheitert. Nur die Chefs der vier Direktionen und 16 Inspektionen wurden überprüft. Das neue, bis Ende 2019 geltende Gesetz macht nun den Stasi-Check für leitende Beamte im gehobenen Dienst ab der Besoldungsgruppe A9 und der Entgeltgruppe E9 möglich – und damit auch bei Revierleitern. Diese seien „das Gesicht der Polizei vor Ort“ und Ansprechpartner für Vertreter der Kommunen, sagte ein Ministeriumssprecher. „Deshalb halten wir es für sinnvoll, sie zu überprüfen.“ Das forderten am Freitag auch Vertreter der Opposition. Die Gesetzesnovelle müsse schnellstmöglich im öffentlichen Dienst angewandt werden, sagte CDU- Generalsekretär Dieter Dombrowski. Frühere Überprüfungsankündigungen müssten zeitnah umgesetzt werden, um Befürchtungen von Stasi-Belastungen auf der Führungsebene der Polizei abschließend ausräumen zu können, erklärte Grüne-Fraktionschef Axel Vogel.
Woidke begrüßte auch das wieder eingeführte, im alten Gesetz 2006 gestrichene Sonderauskunftsrecht für Behörden, wenn bei Mitarbeitern Verdacht auf eine frühere Stasi-Tätigkeit besteht. In den vergangenen Monaten hatte der Minister mehrfach Probleme mit von der Presse enttarnten Ex-Stasi-Mitarbeitern auf Führungsposten der Polizei, für die er bei der Unterlagenbehörde keine Auskunft einholen konnte. „Das hatte zu untragbaren Zuständen geführt“, so Woidke. Das Ministerium musste sich mit vom Fernseher abfotografierten oder in Zeitungen veröffentlichten Akten-Ausschnitten behelfen. In einem konkreten Fall kann Woidke nun wegen der Neuregelung aktiv werden: beim Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Schuster. Im August gefundene Akten erhärten den Verdacht, dass Schuster hochrangiger inoffizieller Stasi-Mitarbeiter war, was dieser bestreitet und nur dienstlichen Kontakt gehabt haben will. Bislang bekam das Innenministerium keine Akteneinsicht, weil Schuster kein Behördenleiter ist.
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