Brandenburg: Schelte für Platzecks Kritikerschelte
FDP: Vergleich mit der Medien mit Revolutionswächtern schlimme Entgleisung / Grüne: Regierungschef versteht Aufarbeitung nicht
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Potsdam - FDP und Grüne haben Brandenburgs Regierungschef, Matthias Platzeck (SPD), für seine öffentliche Kritiker- und Medienschelte sowie seine Bewertung der Stasiverstrickung märkischer Links-Politiker scharf kritisiert. Nachdem Platzeck am Mittwochabend vor etwa 200 Unternehmern und Wirtschaftsfunktionären in Potsdam Teile der Medien und Kritiker seiner rot-roten Landesregierung als „Revolutionswächter“ tituliert hatte, die ihm „auf den Keks“ gingen, bescheinigte ihm der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Peter Goetz, ein „seltsames Demokratieverständnis“. Die Pressefreiheit sei „ein hohes Gut in diesem Land, anders als in Ländern, in denen es Revolutionswächter gibt“, so Goetz in Anspielung auf das einzige Land, in dem es tatsächlich Revolutionswächter gibt: den Iran.
Grünen-Landesvorsitzende Annalena Baerbock sagte den PNN: „Dass Platzeck gegenüber kritischen Medien und anderen Kritikern – darunter auch uns Grünen – zu einer derart diffamierenden Rhetorik greift, zeigt, dass er in der Tiefe seines Herzens noch immer nicht verstanden hat, worum es bei der Aufarbeitung der jüngeren Geschichte Brandenburgs geht.“ FPD-Landeschef Heinz Lanfermann sprach von „einem Schlag ins Gesicht der Stasi-Opfer“, für den sich Platzeck zu öffentlich entschuldigen habe.
Baerbock und Goetz kritisierten zudem, das Platzeck sich in seiner teils emotionalen, weit vom eigentlichen Redetext abweichenden Rede vor den Unternehmern, erneut nur auf zwei Stasi-Fälle bei den Linken bezog. Platzeck, so Goetz, spiele das Thema herunter – „richtigerweise sind es aber sechs Fälle“. Der Regierungschef müsse sich „da nicht wundern, wenn die Medien dies richtig stellen und ihrer Aufgabe als indirekte vierte Gewalt im Staate nachkommen“, so Goetz. Grünen-Chefin Baerbock nannte es „unbegreiflich, dass Platzeck die Debatte wieder nur auf zwei Fälle reduziert“, die Akte der Linke-Abgeordneten Gerlinde Stobrawa, „die ja immerhin ihr Amt als Vize-Landtagspräsidentin niederlegen musste nicht einmal erwähnt“. Platzeck, so Baerbock, verfalle wieder „in die alte brandenburgische Schwamm-drüber-Mentalität – und das zu einem Zeitpunkt, wo es so schien als herrsche im Landtag Einigkeit über die Notwendigkeit von Aufarbeitung“.
Wie berichtet hatte Platzeck vor den Wirtschaftsvertretern zur – aus seiner Sicht – falschen oder unfairen Berichterstattung über seine SPD/Linke-Regierung und die Stasi-Verstrickung von Linke-Spitzenpolitikern gesagt: „Wir haben inzwischen eine Schar von Revolutionswächtern, die gehen mir auf den Keks.“
FDP-Landeschef Lanfermann erklärte in Potsdam: Wenn Platzeck „jenigen, die die Haltung der Linken in Brandenburg zur Bewältigung von Stasi-Verstrickungen und Platzecks Kuschelkurs mit einer Fraktion, in der immerhin fast ein Viertel aus teils früher und teils unlängst enttarnten Ex-IMs besteht, als selbsternannte Revolutionswächter bezeichnet, ist dies geradezu ein Schlag ins Gesicht aller Stasi-Opfer.“ Er verkehre „auch völlig die Verhältnisse“, wenn er den Eindruck erwecke, Kritiker seines Kurses würden „skandalisieren“ und deswegen fänden „die Täter von damals nicht den Mut, sich zu offenbaren. Das hätten diese aber anständigerweise schon 20 Jahre lang tun können“, so Lanfermann weiter. Opfer und kritische Medien zudem mit Eiferern und „Helfern des undemokratischen Regimes im Iran gleichzusetzen, ist völlig inakzeptabel und zeigt, dass der Ministerpräsident die Maßstäbe verloren hat“.
Im Iran stellen die Revolutionswächter mit den Revolutionsgarden und Spezialeinheiten eine Parallelarmee und einen eigenen Geheimdienst – einen Staat im Staat, auf den sich die Ayatollahs bei der Niederhaltung von Kritiker und Reformkräften stützen. mat/pet
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