Brandenburg: Schrottbau von Schönefeld
Die BER-Mängelliste ist lang. Jetzt machte es der Chef noch schlimmer. Deshalb sind nun diverse Politiker sauer auf Karsten Mühlenfeld
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Es war eher ein Nebensatz, mal eben geäußert im Landtag Brandenburg. Doch die Worte von BER-Chef Karsten Mühlenfeld hatten es in sich. Der Inhalt: „Wir haben eine gehörige Zahl von Wänden, die als Brandschutzwände definiert sind, aber so nicht gebaut wurden“, insgesamt gehe es um 600 Wände im neuen Flughafen. Und auch wenn Mühlenfeld den Schaden später relativierte, war die Aufregung auch am Tag danach noch immer groß. Dem Vernehmen nach sind Berlins Regierender Michael Müller (SPD), der Chef des Flughafenaufsichtsrates, sowie Innensenator und Aufsichtsrat Frank Henkel (CDU) massiv verärgert, über die „katastrophale“ Kommunikation Mühlenfelds, die die Verantwortlichen in Erklärungszwänge bringt. Aber auch in Brandenburg waren Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Finanzminister Christian Görke (Linke) alles andere als glücklich über das Agieren Mühlenfelds.
Denn eigentlich ist es so: Das Problem mit den Wänden ist kein neues. „Es wird seit 2014 bearbeitet“, sagte Engelbert Lütke Daldrup, Berlins Flughafenkoordinator, am Dienstag den PNN. „Es geht nicht um großflächigen Abriss.“ Die Wände waren kurz Thema am Freitag im Aufsichtsrat und ein paar Tage vorher auch im für den Bau zuständigen Projektausschuss. Da es nach Aussagen von BER-Technikchef Jörg Marks keinerlei Auswirkungen auf den Eröffnungsfahrplan hat – im Gegensatz zur Imtech-Pleite und Planungsrückständen – spielte es auch in der Pressekonferenz keine Rolle, heißt es. Nach den Worten von Lütke Daldrup seien es „20 bis 30 Wände aus Gasbetonsteinen“, die komplett ausgetauscht werden müssten, weil sie die nötige Brandschutzklasse nicht erfüllen würden. Die anderen 570 Rigipswände müssten teils verstärkt, teils gestützt werden. Das Terminal hat rund 4000 Räume.
Ursache für die nötige Erneuerung von Wänden ist diesmal weniger Baupfusch. Diesmal sind es vor allem die Folgen der Sanierung des Terminals selbst. Schon Anfang August hatte Marks in einem bislang unveröffentlichten, den PNN vorliegenden Mitarbeiterbrief an alle BER-Beteiligten das Problem – es ist nur eines in einer dort aufgeführten langen Liste – erwähnt und erläutert. „Aufgrund der massiven technischen Erweiterungen über die Jahre hinweg waren sämtliche vorhandenen Kabeltrassen überfüllt bzw. die Kabelwege nicht sauber durchgeplant“, schrieb Marks. „Dies führte dazu, dass wir bis heute nachträglich ca. 35 Kilometer Kabeltrassen und ca. 5000 Kilometer Kabel im Gebäude umverlegt bzw. neu gezogen haben.“ Zum Vergleich: In einer früheren Flughafen-Dokumentation war die Gesamtkabellänge im Terminal mit 4000 Kilometern angegeben. Es sind also im Grunde fast alle Leitungen erneuert worden.
Und das hatte Folgen für die Wände. Zitat: „In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass ja die Decken bereits komplett fertiggestellt waren. Diese massiven Erweiterungen führten auch zu tausenden von zusätzlichen Wanddurchbrüchen, die brandschutztechnisch neu bewertet werden mussten“, so der Technikchef. „Dies führte dazu, dass wir uns sämtliche Wände des gesamten Terminals nochmals komplett angeschaut haben. In diesem Zusammenhang mussten wir feststellen, dass wir an rund 1000 bereits fertiggestellten Wänden nochmals Veränderungen der Wanddurchführung oder Erhöhungen der Brandqualitäten durchführen müssen.“ 400 davon waren marginale, teils bereits erledigte Fälle. In dem Mitarbeiterbrief hatte Marks aber 20 in den letzten Monaten aufgetauchte zusätzliche Baustellen genannt, die im Ende 2014 festgelegten Terminplan für den angepeilten BER-Start bis Ende 2017 nicht einkalkuliert waren. Die Liste reicht von 315 zusätzlich erforderlichen Kamerastandorten, die „Grundsanierung der beiden großen Brandabschnittfugen“ bis zu neuen Steuerungen für 100 Türen.
Das Problem mit den Rauchgasventilatoren, das erst jetzt bekannt wurde und zum Baustopp im Terminal führte, war noch nicht einmal dabei. Die Staatsanwaltschaft Cottbus prüft hier weiter die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Baugefährdung. Ein Absturz der Vier-Tonnen-Ventilatoren – sie waren doppelt so schwer wie erlaubt – hätte Arbeiter und später Fluggäste gefährdet. Die Entscheidung hängt von angeforderten Unterlagen ab, die bislang aber nicht eingegangen sind.
Koalitionsintern hat sich die Lage entspannt. Während die CDU am Vorabend noch gefordert hatte, dass sich der Regierende Michael Müller (SPD) vor dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses erklären solle, haben sich CDU und SPD am Dienstag geeinigt, dass Flughafenkoordinator Lütke Daldrup und Flughafenchef Mühlenfeld zur heutigen Sitzung zitiert werden. Dieser hatte sich bei der Nachfolge für Hartmut Mehdorn gegen Michael Clausecker durchgesetzt. Der ehemalige Deutschlandchef der Bahnsparte von Bombardier wechselt jetzt als Vorstand zum Verkehrsunternehmen Rheinbahn in Düsseldorf.
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