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Brandenburg: Schweigen und Aussitzen

Die Rede ist von einem Ermessensspielraum: Die Justiz informierte Klaus Wowereit nicht offiziell über die Affäre Schmitz – und nicht nur das ist merkwürdig

Stand:

Berlin - In der Steueraffäre um den zurückgetretenen Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) hat die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Dienstherrn zu unterrichten. Sie war „in einer Einzelfallprüfung“ zu dem Schluss gekommen, dass in der Causa Schmitz „von einer Mitteilung abzusehen“ sei, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstagabend mit. Normalerweise ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, bei Beamten den Dienstherrn über ihre Ermittlungsverfahren zu benachrichtigen. Es gebe aber einen Entscheidungsspielraum, wenn das Verfahren eingestellt worden sei. Dies war bei Schmitz gegen die Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro der Fall. „Nähere Angaben zu den Gründen können im Hinblick auf das Steuergeheimnis nicht gemacht werden“, sagte ein Justizsprecher.

Offenbar hat die Affäre Schmitz auch zu Verstimmungen zwischen der Justiz- und der Finanzverwaltung geführt. Denn noch am Nachmittag hatte die Finanzverwaltung auf die Mitteilungspflicht nach dem Beamtenstatus- und dem Bundesbeamtengesetz verwiesen. Demnach hätte Wowereit vor eineinhalb Jahren eine offizielle Akte zum Steuervergehen seines Staatssekretärs auf dem Tisch haben müssen. Die Justizverwaltung als übergeordnete Behörde will jetzt noch einmal die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Dienstherrn nicht zu informieren, überprüfen. Neben Wowereit, der von Schmitz selbst über die Ermittlungen informiert worden war, wussten auch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) bereits damals von dem Verfahren. Diese waren aber zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Aus Senatskreisen ist zu hören, dass Wowereit als Dienstherr allein schon wegen des ihm bekannten „Anfangsverdachts einer Straftat“ ein dienstrechtliches Verfahren hätte einleiten müssen. Eine Vorverurteilung sei damit keineswegs verbunden, es stelle aber sicher, dass der Einfluss des Vergehens auf das Dienstverhältnis durch ein unabhängiges Gremium geprüft werde.

Nach verschiedenen beamtenrechtlichen Gesetzen kann auch ein außerdienstliches Vergehen dienstrechtliche Konsequenzen haben. Dies ist der Fall, wenn das Fehlverhalten „nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“, wie es im Landesbeamtengesetz heißt. Und im Disziplinarrecht heißt es, dass schon bei einem Anfangsverdacht „von Amts wegen“ gehandelt werden muss.

Die Senatskanzlei beurteilt die Frage, ob Wowereit ein Disziplinarverfahren hätte einleiten müssen, dennoch anders. Laut Senatssprecher Richard Meng hätte dies nur geschehen müssen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Straftatfeststellung getroffen hätte. Die Justiz hatte aber das Verfahren eingestellt. Eine Sondersitzung des Rechtsausschusses soll sich nach einem gemeinsamen Antrag der drei Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus am kommenden Montag mit der Steueraffäre befassen.

„Wieder einmal hofft Wowereit, einen Skandal aussitzen zu können“, heißt es in einer Erklärung von Grünen, Linksfraktion und Piraten. Zu der Sitzung am Montag soll auch Wowereit geladen werden. Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) und die Mitglieder des Innenausschusses sollen erscheinen. Auch der Kulturausschuss wird sich damit befassen.

Wowereit befindet sich derzeit weiterhin im Urlaub. Erst am Sonntag will er wieder offizielle Termine wahrnehmen. Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß sagte am Donnerstag kurzfristig seine Teilnahme an der ARD-Talkshow „Beckmann“ ab, die am Abend die jüngsten Fälle von prominenten Steuerhinterziehern zum Thema haben sollte.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie Schmitz aus dem Amt scheiden wird und welche Übergangsgelder und Ruhestandsbezüge er anschließend erhalten wird. In seinem Schreiben an Wowereit bat er nämlich nicht darum, aus dem Amt entlassen zu werden. Er wählte die Formulierung, von seinen Aufgaben entbunden werden zu wollen. Wie Senatssprecher Meng sagte, wird in der Senatskanzlei noch geprüft, welcher Unterschied aus dieser Wortwahl folgt. Bei der Bitte um Entlassung würden auf jeden Fall die Übergangsgelder wegfallen, die im Falle des ehemaligen Kulturstaatssekretärs drei Jahre lang gezahlt werden müssten und bei rund 70 Prozent der bisherigen Bezüge lägen.

Allerdings hat Schmitz dem Vernehmen nach schon bekannt gegeben, dass er ein Übergangsgeld – sollte es ihm zustehen – spenden werde. So liegt nahe, dass er mit seiner Formulierung auf jeden Fall die durch die langjährige Tätigkeit im Senat erworbenen Ansprüche auf Altersversorgung sichern wollte. Schmitz war seit Juni 2001 Staatssekretär in der Senatskanzlei, erst als Chef der Senatskanzlei, seit November 2006 dann als Kulturstaatssekretär. Sollte Schmitz in den Ruhestand versetzt werden, muss dies formal vom Senat beschlossen werden. 

HINTERGRUND

Tief gefallen ist André Schmitz nach der Enthüllung seines Steuerbetruges. Aber ist er allzu billig davongekommen? Gab es einen „Promi-Bonus“? Die Antwort beginnt mit einem Blick aufs Ausmaß der Verfehlung: Schmitz hatte rund 20 000 Euro hinterzogen, die als Steuern auf den Ertrag seiner in der Schweiz angelegten Erbschaft von 425 000 Euro fällig gewesen wären. Bei 25 Prozent Abgeltungsteuer (vor deren Einführung 2009 dürfte Schmitz’ Steuersatz etwas höher gelegen haben) geht es um 80 000 Euro Zinsen, die die Erbschaft binnen drei, vier Jahren abgeworfen hat. Da Schmitz erwischt wurde, kam ein Strafverfahren in Gang, das für eine Geldauflage von 5000 Euro eingestellt wurde. Laut Deutscher Steuergewerkschaft müssen Steuersünder den Betrag mit sechs Prozent Zinsen pro Jahr ab dem 15. Monat nachzahlen. Ab 50 000 Euro kommt ein einmaliger Sonderzins von fünf Prozent der hinterzogenen Summe obendrauf, sofern sich der Betreffende selbst angezeigt hat. Ansonsten stehe das Strafverfahren an. Das habe für Schmitz mit der Einstellung gegen Geldauflage einen Mittelweg zwischen dem Sonderzins und Bestrafung genommen. Einzig bundesweit verbindliche Grenze ist eine Million Euro hinterzogene Steuern, von der an laut einem BGH-Urteil eine Haftstrafe ohne Bewährung fällig wird. Dieser Punkt wird für Uli Hoeneß interessant. Gegen den wirkt Schmitz wie eine kleine Nummer. (obs)

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