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Bundeskanzler Friedrich Merz an der Glienicker Brücke in Potsdam, mit Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg.

© imago/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

„Sehen das Problem weiterhin im Stadtbild“: Merz zeigt bei Besuch in Potsdam harte Linie bei Migration

Kanzler Merz hat bei seinem Antrittsbesuch in Potsdam ein klares Signal in der Migrationspolitik gesetzt. Gleichzeitig zeigte er sich mit Brandenburgs Ministerpräsident Woidke in überraschender Eintracht.

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Einig sind sich diese beiden Hünen, erstaunlich einig. Sogar darin, wie die AfD gestoppt werden könnte, die in Deutschland und Brandenburg an Boden gewinnt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) haben sich am Dienstag unisono dafür ausgesprochen, drängende Probleme zügig und gemeinsam zu lösen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, um so verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Anlass war der Antrittsbesuch von Merz in Potsdam, sein erster in einem ostdeutschen Bundesland, nachdem er zuvor bereits in Bremen, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen war.

„Wir müssen zeigen, dass der Staat funktioniert. Dass wir in der Lage sind, die Probleme zu lösen“, sagte Merz bei einem Auftritt mit Woidke in der Potsdamer Staatskanzlei. Es waren Sätze, die auch vom Brandenburger Regierungschef hätten stammen können. „Wir brauchen Mut, zu guten Entscheidungen“, sagte Woidke. Das sei das, was die Menschen erwarten.

Zuvor hatte der Kanzler gemeinsam mit dem Landeskabinett aus SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) getagt. Dass das BSW hier mitregiert, das eine Abkehr der bisherigen Ukraine-Unterstützung will, eine Neuauszählung der Bundestagswahl fordert und die CDU/SPD-Koalition im Bund zum Platzen bringen will, war kein Thema.

Demokratie braucht Zeit. Demokratie ist Kompromiss.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)

Als Beispiele für nötige Problemlösungen nannte Merz die Infrastruktur, die Sicherung der Rentensysteme und die Begrenzung der Migration, aber auch die für Brandenburg wichtige PCK-Raffinerie in Schwedt. Dort sei die Lage zwar im „Augenblick geklärt“, sagte Merz. Die Bundesregierung habe das PCK aber weiter im Blick.

Angesichts der schlechten Stimmung in der Bevölkerung verwies Merz darauf, dass Rechtspopulismus in vielen Teilen der Welt Probleme bereite, er nannte auch Polen und Frankreich. „Wir sind da keine Ausnahme.“ Es habe sich eine grundlegende Unzufriedenheit mit der Demokratie und deren Mechanismen zur Bewältigung von Herausforderungen verbreitet. Es müsse stärker für das demokratische Staatswesen geworben werden. „Demokratie braucht Zeit, Demokratie ist Kompromiss“, sagte Merz. Das sei etwas, „was vielleicht die Menschen nicht mehr so akzeptieren, wie das in früheren Jahren war.“ 

Merz setzt auf härtere Linie bei Migration

Zur konkreten Frage, ob die Brandmauer gegen die AfD sich gerade auflöse, auch in seiner Partei, bekräftigte Merz mit Blick auf die Union aus CDU und CSU den Anspruch: „Wir sind die Brandmauer.“ Woidke wollte das so nicht stehen lassen und ergänzte: „In Brandenburg sind wir das.“ Wie relativ und volatil das geworden ist, zeigen die Trends. Deutschlandweit liegt die AfD, die vor den Landtagswahlen im letzten Jahr überwiegend als Ost-Phänomen galt, mittlerweile gleichauf mit der Union. In Brandenburg hatte die extreme Rechtspartei – Ausnahmen waren der Woidke-Sieg bei der Landtagswahl 2024 und auch die Bürgermeisterwahlen am vergangenen Wochenende – in Serie die Kommunal-, Europa- und zuletzt die Bundestagswahl gewonnen.

Die AfD ist nach allen Umfragen der letzten Jahre auf dem Sprung zur stärksten Kraft im Land. Gleichzeitig machte Merz deutlich, dass er in anderen politischen Fragen einen härteren Kurs einschlägt – etwa in der Migrationspolitik. In dieser Frage sei man bereits „sehr weit“, sagte der Kanzler. Die Zahl der Asylerstanträge sei rückläufig – im August 2025 habe es rund 60 Prozent weniger Anträge gegeben als im gleichen Monat des Vorjahres. „Aber wir sehen das Problem natürlich weiterhin im Stadtbild“, so Merz. Deshalb arbeite der Bundesinnenminister derzeit daran, Rückführungen in großem Umfang zu ermöglichen.

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Damit griff Merz eine Formulierung auf, die bereits vor wenigen Wochen CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Interview mit dem „Merkur“ verwendet hatte. „Das Stadtbild muss sich wieder verändern. Es braucht einfach mehr Rückführungen“, hatte Söder gesagt. Weder er noch Merz präzisierten, was genau mit diesem „Stadtbild“ gemeint ist – und welche Menschen darin offenbar stören sollen. Vize-CSU-Chef Manfred Weber, der auch der Europäischen Volkspartei vorsteht, versuchte die Aussage Söders später in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ zu relativieren: „Bayern und Deutschland werden vielfältiger, unsere Städte werden ein Stück weit ihr Gesicht verändern“, sagte Weber. Es sei deshalb auch „unsere Aufgabe, den Leuten zu erklären, dass Deutschland Zuwanderung braucht.“

Dietmar Woidke (SPD) und Friedrich Merz (CDU) zeigten sich am Dienstag in erstaunlicher Eintracht.

© REUTERS/Christian Mang

Es war offensichtlich, dass sich Merz und Woidke gut verstehen. Der Kanzler und der Ministerpräsident, der Sauerländer und der Brandenburger, der schwarze und der rote Konservative. Beide mit Gardemaß auf Augenhöhe – Woidke, 1,95 Meter, Merz, 1,96 Meter. Vor einigen Wochen hatte sich Merz, wie er nebenbei erwähnte, mit Woidke im Kanzleramt getroffen. Schon bei diesem Vieraugengespräch sollen beide einen Draht gefunden haben.

Das Protokollprogramm in Potsdam für Merz war dicht, sehr dicht sogar. Nur knapp eine Stunde hatte das Kabinett getagt, mit Kurzvorträgen etwa von BSW-Ministerin Britta Müller zum Stand der Krankenhausreform. Vom eigentlichen Brandenburg bekam der Kanzler, der am Vortag noch beim historischen Gaza-Gipfel in Ägypten war, eigentlich nichts zu sehen. Er besuchte die Fröbel-Kita in Babelsberg und das Hasso-Plattner-Institut, ehe sein Besuch nach einer Bootsfahrt mit dem blauweißen Konferenzboot der Wasserschutzpolizei über berlin-brandenburgische Gewässer an der symbolträchtigen Glienicker Brücke endete.

Hier, beim Auftritt vor Journalisten, wurde Merz auch zum BSW gefragt, das in Brandenburg mitregiert, Russlands Botschafter im Landtag feiert und gegen den Aufbau des neuen Raketenabwehrsystems im brandenburgischen Holzdorf mobilmacht. Da wurde der Kanzler grundsätzlich, ohne das BSW zu erwähnen: „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“, sagte Merz.

„Der Satz steht. Wir müssen uns über all in Deutschland verteidigen können. Wenn niemand mehr etwas tut, ist auch für niemand mehr Sicherheit gewährleistet“, sagte der Kanzler. Russische Angriffe seien offenbar möglich. „Genau um das zu verhindern, müssen solche Standorte entwickelt werden. Da ist Holzdorf ein kleiner Stein in einem großen Bild.“

Merz bekennt sich zur ILA in Schönefeld

Friedrich Merz (r., CDU) und Dietmar Woidke (l., SPD) im Hasso-Plattner-Institut in Potsdam.

© REUTERS/Britta Pedersen

Bei dem Auftritt sprach Merz auch von sich aus die Zukunft der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse (ILA) an, mit der überraschend eindeutigen Botschaft, die ILA am BER-Standort in der Hauptstadtregion auch künftig zu erhalten.

„Wir beide möchten, dass die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung am BER Bestand hat und ausgebaut wird“, sagte Merz. Es sei eine wichtige Industriemesse für Deutschland, die wichtigste für Brandenburg. „Und deshalb werde ich alles tun, um mitzuhelfen, dass diese Messe bestehen bleibt.“ Woidke dankte für das „Bekenntnis zum Standort Brandenburg“, ehe die Kanzler-Kolonne zurück nach Berlin rauschte.

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