Angriff auf polnische Bürger in Kremmen: Selbstjustiz-Fall überschattet Grenzgipfel mit Polen
"Ein unsäglicher Vorfall": Dietmar Woidke hat sich bei den drei polnischen Erntehelfern entschuldigt. Sie waren von einem Mob von fünf Kremmener Anwohnern nach einem Einbruch zu unrecht verdächtigt, gefesselt und verprügelt worden. Die Grünen warnen vor "Klima der Hysterie".
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Slubice/Kremmen - Der Fall von Selbstjustiz gegen drei polnische Erntehelfer in Kremmen (Oberhavel) hat den Gipfel deutscher und polnischer Sicherheitsbehörden zur grenzüberschreitenden Kriminalität inSlubice überschattet. Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) entschuldigte sich ausdrücklich bei Polens Botschafter Jerzy Marganski und dem polnischen Volk für den nach seinenWorten unsäglichenVorfall. Dieser werde rückhaltlos und vollständig aufgeklärt, die Polizei werde die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung mit Hochdruck vorantreiben und allen Ansätzen vonSelbstjustiz konsequent entgegentreten. Für derartige Fälle wie in Kremmen gebe es keinerlei Rechtfertigung. „Wer das Recht in die eigenen Hände nimmt, stellt sich außerhalb des Rechtsstaats“, sagte Woidke.
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Im Kremmener Ortsteil Staffelde (Oberhavel) waren am Montag nach einem versuchten Wohnungseinbruch drei Erntehelfer von fünf Einwohnern festgehalten, auf ein Privatgrundstück gebracht, geschlagen und gefesselt worden. Die Polen mussten wegen Verletzungen im Gesicht ambulant auf einer Rettungsstation behandelt werden. Auslöser war ein misslungener Wohnungseinbruch am Montagvormittag, bei dem die Hauseigentümerin drei Männer flüchten sah. Noch am selben Tag rottete sich eine selbsternannte Nachbarschaftswehr zusammen und ging auf die Polen los. Bei einer Gegenüberstellung stellte sich heraus, dass die Erntehelfer mit dem Einbruch nichts zu tun hatten. Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Die Hauseigentümerin schloss die Polen als Täter aus. Auch die Ermittlungen der Kriminalpolizei ergaben, dass diese beiden Männer nichts mit dem Einbruch zu tun haben konnten. „Die polnischen Bürger waren vollkommen unschuldig“, sagte Woidke am Donnerstag. „Wir sollten unser gutes, unser gewachsenes vertrauensvolles Verhältnis von solchen Personen nicht stören lassen.“ Die Bündnisgrünen warnten vor einem „Klima der Hysterie“. Bei der Bewertung des Kriminalitätsgeschehens sei Sachlichkeit gefragt. „Wenn Bürger vermeintliche Einbrecher jagen und verprügeln und so das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft setzen, läuft etwas ganz gewaltig schief“, sagte Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher.
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