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Brandenburg: Senat will Zwangsheirat unter Strafe stellen

Berlin unterstützt Stuttgarter Gesetzesinitiative, die weiter geht als der Entwurf der Bundesregierung. Besserer Opferschutz soll Abschiebungen verhindern

Von Sabine Beikler

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Berlin unterstützt Stuttgarter Gesetzesinitiative, die weiter geht als der Entwurf der Bundesregierung. Besserer Opferschutz soll Abschiebungen verhindern Berlin - Es sind oft ihre Cousins, mit denen die Mädchen und Frauen zwangsverheiratet werden. „Dann bleibt die Gewalt und der Druck, mit denen die Frauen in eine Ehe gezwungen werden, in der Familie. Und die steht natürlich unter besonderem Schutz“, berichtet eine Mitarbeiterin von Papatya, einer Krisenunterkunft für Mädchen und junge Frauen, gestern bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus. Am Freitag wird sich der Bundesrat mit dem Thema Zwangsheirat befassen und über ein rot-grünes Gesetzespaket beraten: Diese Ehen sollen als Nötigung strafrechtlich verfolgt werden. Für Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) ist dieser Entwurf „ein zahnloser Tiger“. Sie meint: „Durch die vermutlich ständigen Vergewaltigungen in diesen Ehen geht es hier um einen besonders schweren Fall von Menschenhandel.“ Deshalb hätte der Senat am liebsten einen eigenen Straftatbestand eingeführt und unterstützt eine entsprechende Gesetzesinitiative aus Baden-Württemberg, die voraussichtlich im kommenden Frühjahr weiter verhandelt werden soll. Der Stuttgarter Vorschlag sieht einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Berlin geht sogar noch weiter: Schubert will das Strafmaß ab einem Jahr aufwärts ansetzen. Die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ates meint, solche Ehen seien „Verbrechen“. Ates, der Migrationsbeauftragte Günter Piening, das Landeskriminalamt und Vertreter der Krisenunterkunft Papatya fordern außerdem einen besseren Schutz für die Opfer – etwa Abschiebeschutz und die Anerkennung der Zwangsheirat als Härtefall. Auch Frauensenator Harald Wolf (PDS) will die Ächtung der Zwangsheirat als Straftatbestand. In Kooperation mit Polizeibehörden und Kontaktstellen müsse die Sperrung von Meldedaten Hilfe suchender Frauen und Mädchen schnell und unbürokratisch erfolgen. „In vielen türkischen und arabischen Familien ist Zwangsverheiratung ein Tabuthema“, sagt Berrin Alpbek vom Migrationsrat. Um Zwangsehen zu verhindern, müssen junge Mädchen in der Schule besser aufgeklärt, auf ihre Rechte hingewiesen und müssen ihnen bei Bedarf auch die Adressen von Kontaktstellen vermittelt werden. Rot-Rot will außerdemAnlaufstellen für junge Migranten eröffnen. Alle Fraktionen wollen die Präventionsarbeit vor allem an den Schulen verstärken. Auch Mitarbeiter der Ausländerbehörde sollten sensibilisiert werden. Der Migrationsbeauftragte kündigte Informationsblätter in mehreren Sprachen an. Erst müsse aber der Bund an alle Länder die neuen Ausführungshinweise zum Zuwanderungsgesetz weiterleiten. Verlässliche Zahlen über Zwangsehen gibt es nicht. Die Dunkelziffer ist hoch, weil viele Frauen sich nicht wagen, eine Zwangsheirat abzulehnen. Heirat gilt in muslimischen Familien oft als Frage der Ehre. Doch Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung.S. Beikler

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