Brandenburg: Sicher im Alter?
Lange galten junge Autofahrer auf Brandenburgs Straßen als Hochrisikogruppe. Inzwischen verursacht die Generation 65 plus deutlich mehr Unfälle, immer mehr Ältere verunglücken
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Potsdam - Nirgends sonst ist die Gefahr so groß, im Straßenverkehr zu sterben wie in Brandenburg. Und es sind nicht mehr die rasenden Fahranfänger, die auf den märkischen Alleen zu Tode kommen, sondern überwiegend Senioren der Generation 65 plus. Das geht aus der am Mittwochmorgen in Potsdam vom brandenburgischen Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) vorgestellten Unfallbilanz für 2013 hervor.
Im Gegensatz zum deutschlandweiten Rückgang von Todesfällen verzeichnete Brandenburg einen Anstieg um 2,4 Prozent. Für 2013 sind in der Statistik 170 Unfalltote registriert, vier mehr als 2012. Hochgerechnet führt Brandenburg mit 69 Unfalltoten je eine Million Einwohner das Negativranking der Bundesländer an. Es folgen Sachsen-Anhalt (61) und Thüringen (56). Im bundesweiten Durchschnitt sind es 41, am besten schneidet Berlin mit 11 Unfalltoten je eine Million Einwohner ab. Allerdings hat die Zahl der Unfalltoten seit 1990 stark abgenommen: 1992 waren es noch 876 in Brandenburg, 2004 noch 280. „170 Verkehrstote sind aber immer noch 170 zu viele“, sagte Holzschuher.
Erstmals räumte das Innenministerium ein, dass die rapide Alterung der Brandenburger und der demografische Wandel auch ein Problem für die Verkehrssicherheit werden. An einem Fünftel aller Unfälle sind Senioren beteiligt und diese haben sie zu 70 Prozent selbst verursacht – ein steter Anstieg seit Jahren. Von den 170 auf Brandenburgs Straßen zu Tode gekommenen waren 53 über 65 Jahre alt, ihr Anteil stieg um knapp 13 Prozentpunkte auf 31 Prozent. Unter den 21 getöteten Radfahrern war die Hälfte älter als 70. Zum Vergleich: Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in Brandenburg ist mit 22 Prozent aber deutlich geringer. Die Zahl der bei Unfällen verletzten Senioren stieg um 5,2 Prozent.
Innenminister Holzschuher will aber keine Vorschriften für ältere Autofahrer einführen. Dies wäre Altersdiskriminierung, sagte er. Man könne nicht einfach ein Alter festlegen, ab dem Senioren „nicht mehr verkehrstauglich“ seien. Allerdings appellierte er an die Eigenverantwortung der älteren Autofahrer und empfahl regelmäßige Seh- und Fitnesstests sowie Fahrtrainings. Ältere Autofahrer müssten ihre Fähigkeiten ehrlich einschätzen. Zugleich müssten Ärzte und Pharmaindustrie bei verschreibungspflichtigen Medikamenten stärker auf die Risiken am Steuer hinweisen. Bei einer Vielzahl von Unfällen hätten die Personen Medikamente eingenommen, die die Fahrtüchtigkeit einschränkten.
Die über lange Jahre bei der Polizei als Hochrisikogruppe geführten jungen Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren verursachen dagegen in Brandenburg immer seltener Unfälle. Hier verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr einen Rückgang von 15 Prozent. Senioren führten doppelt so häufig Unfälle herbei wie junge Fahrer. Die Zahl der auf den märkischen Straßen getöteten jungen Fahrer sank um knapp 60 Prozent auf nunmehr 12, bei den Verletzten liegt der Rückgang bei 14 Prozent. Verkehrsminister Jörg Vogelsänger führte diese Entwicklung auf die Erfolge etwa bei Präventivprojekten wie dem Führerschein mit 17 Jahren zurück. Dabei dürfen Jugendliche ab 17 Jahren bereits Auto fahren, aber nur in Begleitung eines Erwachsenen.
Insgesamt nahm die Zahl der Unfälle leicht um 230 auf 81 082 zu, während es bundesweit einen leichten Rückgang gab. Die Zahl der Verletzten ging in Brandenburg leicht zurück. Hier liegt Brandenburg statistisch je eine Million Einwohner unter dem Bundesdurchschnitt.
Hauptursache für die hohe Zahl an Verkehrstoten ist laut Polizeistatistik immer noch und in gestiegenem Maße Raserei. Aber auch bei Alkohol, Vorfahrtsmissachtung und zu geringem Abstand als Unfallursache mit Todesfolge verzeichnet die Polizei einen Anstieg. Das Klischee von Brandenburg, nach dem frei nach dem Liedermacher Rainald Grebe mal wieder jemand gegen einen Baum gegurkt sei, trifft immer noch zu. Zwar sinkt die Zahl der Baumunfälle, seit Jahren werden Gefahrenstellen von den Behörden durch Fällungen und Leitplanken entschärft. Dennoch rasten 62 Autofahrer gegen einen Baum und kamen zu Tode. Das sind fast 37 Prozent der auf Brandenburgs Straßen Getöteten, die bei einem Aufprall an einem Baum in Alleen oder auf Straßen in Waldgebieten gestorben sind. „Wenn hier etwas passiert, geht das meist nicht glimpflich aus“, erklärte Brandenburgs Polizeipräsident Arne Feuring. „Bäume verzeihen keinen Fahrfehler.“
Eine Zunahme der Todesfälle verzeichnete die Polizei auch bei Motorradfahrern und Radlern. Unter den 170 Toten waren 22 Fußgänger und jeweils 21 Motorrad- und Fahrradfahrer. 13 Motorrad- und sechs Radfahrer hatten den Unfall selbst verschuldet.
Dass Brandenburg seine traurige Spitzenposition bei Unfalltoten irgendwann abgibt, ist kaum zu erwarten. Durch das Land führt die wichtigste Transitstrecke nach Osteuropa – der Verkehr auf den Bundesautobahnen A 2 und A 9, dem südlichen Berliner Ring und der A12 nach Frankfurt (Oder) hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Und die Behörden in Brandenburg erwarten in den nächsten Jahren eine weitere Zunahme. Auch wegen der „größten märkischen Stadt innerhalb Brandenburgs“, wie Verkehrsminister Vogelsänger sagte. Die Zahl der auf Autobahnen und Landstraßen getöteten Menschen nahm 2013 zu: Auf Landstraßen waren es 102 Tote, ein Zuwachs um 15 Prozent. Auf Autobahnen waren es 29 Tote, ein Plus von 7 Prozent. An jedem dritten Unfall auf der Autobahn war ein Lastwagen beteiligt. (mit ha)
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