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Brandenburg: Sonderzug nach Irgendwo

Verwirrung bei der Flüchtlingsverteilung. Pläne für Drehkreuz in Schönefeld werden konkreter

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Schönefeld - Erneut sind auf einer Sonderzugfahrt von Bayern zum Bahnhof Schönefeld in Brandenburg eine große Anzahl von Flüchtlingen abhanden gekommen – bis sich am Mittwochabend herausstellte, dass die fehlenden Fahrgäste bereits in Leipzig verteilt wurden. Offenbar wusste man in Brandenburg noch nicht, was in Sachsen schon geschehen war.

Montag früh war ein Sonderzug mit 400 Flüchtlingen in Freilassing in Bayern losgefahren. Nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums sollten 250 Menschen in Leipzig aussteigen, die restlichen sollten dann in Potsdam untergebracht werden. Beim Durchzählen am Bahnsteig fiel dann allerdings auf: Statt der erwarteten 150 waren nur 63 Flüchtlinge in Schönefeld aus dem Zug gestiegen.

Der Sonderzug war mit knapp drei Stunden Verspätung erst gegen 12.10 Uhr eingetroffen. Nach Auskunft des sächsischen Innenministeriums hatte er vier Stunden am Messebahnhof in Leipzig gestanden, weil die Busse für die Weiterfahrt irrtümlicherweise zum Hauptbahnhof beordert worden waren. Die meisten Flüchtlinge seien dann nach Chemnitz, Sachsen-Anhalt und Thüringen verteilt worden. Nur „40 bis 60“, so das sächsische Innenministerium, seien nach Schönefeld weitergefahren.

Im brandenburgischen Innenministerium hatte man aber mit wesentlich mehr Neuankömmlingen gerechnet. „Wir arbeiten zur Zeit sehr kurzfristig“, sagte ein Sprecher, die Helfer könnten die unerwartete Verschnaufpause gebrauchen. „Hauptsache ist, dass alle Flüchtlinge ein Bett haben.“

Indes sind die Überlegungen von Bund und Ländern, auf dem Gelände der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Selchow ein zentrales Verteilzentrum für Flüchtlinge in Ostdeutschland mit Anbindung am Bahnhof Schönefeld einzurichten, offenbar weit gediehen. Selbst für die Regierungschefs anderer Bundesländer wie Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) oder Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) schien die Sache am Mittwoch nach dem Krisentreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klar. Die Bundeswehr soll helfen.

Nur mit den Betroffenen selbst hat noch niemand geredet. Eine Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) sagte, es gebe eine Rahmenvereinbarung mit Berlin und Brandenburg. Demnach finde bis 2020 alle zwei Jahre die ILA auf dem Gelände in Selchow statt. Der Verband gehe davon auch für die nächste ILA vom 1. bis 4. Juni aus. „Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, dass es diesmal anders ist“, sagte sie. Bliebe nur der Rest des Jahres. Tatsächliche stehen die Hallen auf dem ILA-Gelände derzeit leer, zu tun wäre aber noch genug. Laut Messe Berlin gibt es zwar Toiletten, aber keine Duschen. Brandenburg stehe bereit, heißt es aus dem Innenministerium in Potsdam. Der Bund müsse nur konkret seine Wünsche äußern.

Immerhin hat die Bundeswehr den Standort schon erkundet. Soldaten könnten beim Transport und Aufbau von Zelten oder Betten helfen, hieß es. Selbst Essen könnte in nahe gelegenen Kasernen zubereitet werden. Sogar ärztliche Untersuchungen von Flüchtlingen sind für die Bundeswehr vorstellbar.

Entschieden werden soll über ein Flüchtlings-Drehkreuz in Schönefeld spätestens beim Flüchtlingsgipfel in der kommenden Woche. „Solche Drehkreuze sind notwendig“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Zudem prüfen die Länder gemeinsam mit dem Bund, wo der Bund die bis zu 40 000 zugesagten Plätze zur Erstunterbringung einrichten kann.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat indes nach dem Krisentreffen von Bund und Ländern die Bedeutung schnellerer Asylverfahren betont. Zudem müsse, wer kein Bleiberecht erhalte, schneller abgeschoben werden können, „damit die Kapazitäten da sind für die Menschen, die bleiben dürfen. Wer bleiben dürfe, müsse schnell „Deutsch lernen und sprechen, Kitas und Schulen besuchen und sich möglicherweise beruflich neu ausbilden lassen“, ergänzte Woidke. Enttäuscht äußerte sich der Regierungschef darüber, dass das Thema Integration bei dem Treffen zu kurz gekommen sei. Sie werde weiteres Geld kosten.

Timo Kather, Alexander Fröhlich

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