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Ladenhüter. Weil auch andere Produzenten aus der EU ihre Äpfel nicht mehr nach Russland verkaufen dürfen, sind die Preise laut des brandenburgischen Landesgartenverbandes zwischenzeitlich um mehr als die Hälfte gefallen.

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Brandenburg: Sorge vor Langzeitfolgen

Gut ein Jahr nach Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise gibt Brandenburgs Wirtschaft Entwarnung – zumindest teilweise

Von Matthias Matern

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Potsdam - In der deutschen Wirtschaft waren die Befürchtungen groß, als im Sommer 2014 die Europäische Union erstmals seit Ausbruch der Ukraine-Krise Russland mit Wirtschaftssanktionen belegte und Putin im Gegenzug mit einem Einfuhrverbot für Agrarprodukte aus der EU konterte. In einer Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) unter 220 im Russlandgeschäft tätigen Unternehmen hatten damals 55 Prozent der Befragten direkte Auswirkungen auf ihre Geschäfte befürchtet, 27 Prozent rechneten sogar mit massiven Folgen. Gut ein Jahr danach steht fest: Russlands Wirtschaft liegt am Boden und in Deutschland brummt der Jobmotor. Dennoch haben die Sanktionen auch hierzulande Spuren hinterlassen – auch in Brandenburg.

Auswirkungen hatten die gegenseitigen Exportbeschränkungen vor allem für die Landwirtschaft und die Logistikbranche, aber auch für den ein oder anderen Zulieferer aus der Automobilindustrie. Denn neben Rüstungsgütern sowie bestimmten Hochtechnologieprodukten für die Ölförderung sind auch sogenannte Dual-Use- Güter, also Waren mit zivilem und militärischem Verwendungszweck, vom europäischen Ausfuhrverbot betroffen. „Ein Motorenventil zum Beispiel kann sowohl im Pkw wie in einem zivilen Lkw verarbeitet werden, aber eben auch in einem Panzer“, verdeutlicht Jens Ullmann, Außenhandelsexperte der IHK Potsdam.

Deutlich stärker dagegen hat Russlands Retourkutsche die Obstbauern getroffen. „Weil auch Apfelbauern in Polen und Österreich ihre Ware nicht mehr nach Russland verkaufen dürfen, kommt es in der EU zu einem Mehrangebot, was wiederum auf die Preise drückt“, sagt Jens-Uwe Schade, Sprecher im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium. Um mehr als die Hälfte waren die Preise für Äpfel nach Angaben des Landesgartenbauverbandes zwischenzeitlich gefallen – von 40 Cent pro Kilogramm auf unter 20 Cent 2014. Inzwischen zahle der Großhandel wieder im Schnitt 32 bis 34 Cent pro Kilogramm, heißt es.

Sorge hat man im Ministerium aber vor allem um die möglichen langfristigen Folgen: Da Russland die jetzt gesperrten Produkte offenbar problemlos aus anderen Märkten beziehen könne, könnte ein wichtiger Absatzmarkt für hiesige Bauern auch langfristig verloren sein – auch wenn die Sanktionen wieder aufgehoben würden. Zudem sei zu beobachten, dass sich Russland mehr und mehr auf den Ausbau der Produktion im eigenen Land konzentriere, so Schade.

Seit Donnerstag treffen sich nun in Potsdam erstmals seit der Krim-Annexion durch Putin deutsche und russische Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zum sogenannten Petersburger Dialog. Auch Wirtschaftsthemen stehen auf der Agenda. Für Brandenburgs früheren Ministerpräsidenten und Vorstand des deutsch-russischen Gesprächsforums, Matthias Platzeck (SPD), ein wichtiges Zeichen der Annäherung. Die Sanktionen der EU zumindest haben aber weiterhin Bestand – wenigstens bis Anfang kommenden Jahres.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) hält die Auswirkungen für die heimischen Unternehmen insgesamt aber für eher gering. Zumindest die von der EU-Sanktion betroffenen Güter hätten für die brandenburgischen Ausfuhren „keine besondere Relevanz“, erklärt der Minister. Zudem mache der Anteil des Russlandexports gerade einmal zwei Prozent aus. Allerdings sei Russland ein wichtiger Außenhandelspartner, was den Import von Gas und Öl betreffe.

Auch die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) sieht bislang keine gravierenden Folgen: „Russland spielt für den brandenburgischen Export keine wesentliche Rolle. In Berlin sieht es ähnlich aus“, sagt UVB-Sprecher Carsten Brönstrup. Andere Regionen seien deutlich stärker betroffen, vor allem die industriestarken Bundesländer in Süddeutschland. Dennoch sei es wünschenswert, wenn die Sanktionen möglichst bald aufgehoben würden. „ Hoffentlich früher als später, aber nicht vorbehaltlos“, so Brönstrup.

Auch Jens Ullmann hofft auf ein baldiges Ende. Zumal er die Folgen für durchaus relevanter hält. „Russland ist ein ganz wichtiger Markt, den Brandenburg bis zum Ausbruch der Krise noch gar nicht voll ausgeschöpft hatte“, so Ullmann. Der IHK zufolge unterhalten knapp 500 Unternehmen in Brandenburg Geschäftsbeziehung, darunter viele auf das Osteuropageschäft spezialisierte Logistikfirmen. „Ein Exportumsatz von rund 330 Millionen Euro ist zwar nicht Platz eins bis drei im Ranking der wichtigsten Exportländer, aber schon ein wesentlicher Umsatz für die brandenburgische Wirtschaft“, sagt der IHK-Experte. Wegen der Krise aber seien die Ausfuhren zuletzt um 25 Prozent zurückgegangen und die langfristigen Folgen nicht absehbar. „Je länger es dauert, desto nachhaltiger sind die Schäden“, so Ullmann. Matthias Matern

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