Brandenburg: SPD-Nachwuchs beklagt Inhaltsarmut der Partei
Landesparteichef Woidke mahnt eine Erneuerung der SPD an, doch die Jusos fühlen sich übergangen
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Potsdam - Der SPD-Nachwuchs beklagt die fehlende inhaltliche Aufstellung der Sozialdemokraten bei ihrem Parteitag am Samstag in Frankfurt (Oder) und übt scharfe Kritik an der Diskussionskultur in der Partei. Grund ist die nach der Wahl der Parteispitze vorzeitig beendete und in den Landesvorstand und Landesausschuss verschobene Beratung von Anträgen. Begründet worden war dies von der Parteitagsregie damit, dass am nächsten Tag 3. Advent war. Statt bis 17 Uhr ging es nur bis 15 Uhr, bis dahin war nur ein Drittel der Anträge besprochen worden. Die Jusos sprechen von einem Eklat. Viele junge Parteimitglieder haben erleben müssen, „dass die Partei auf Inhalte offenbar keinen größeren Wert legt“, sagte Jusos-Landeschef Erik Stohn. Es sei nicht besonders attraktiv, sich in der SPD zu engagieren, wenn das Ergebnis vorgegeben wird, hieß es.
Dabei war es der mit nur 79 Prozent der Delegiertenstimmen bestätigte Landesparteichef Dietmar Woidke selbst, der seine Genossen mahnte: „Wir müssen alles dafür tun, dass das Interesse an demokratischer Teilhabe wieder steigt.“ Und dass sich die Partei nicht zurücklehnen dürfe und inhaltlich liefern müsse, um attraktiv für die Menschen zu bleiben. Er hatte eine Erneuerung der Brandenburger SPD angemahnt und eine Organisations- und Attraktivitätsoffensive angekündigt. „Wir wollen das Prinzip der Volks- und Mitgliederpartei weiter hochhalten“, hatte er gesagt.
Der Grund ist klar: Bei den über 60-Jährigen holte die SPD bei der Landtagswahl 41 Prozent, bei den Jungwählern musste die Partei herbe Verluste von sieben Prozent hinnehmen. „Wir laufen Gefahr, bei den Wahlen eine Partei der älteren Semester zu werden“, hatte Woidke gesagt. Typische SPD-Wähler, die „sogenannten kleinen Leute“, hätten in großen Mengen erst gar nicht mehr gewählt.
Gegen Vergreisung und Mitgliederschwund soll ein Innovationsfonds helfen. Damit sollen Projekte gefördert werden, bei denen sich Bürger an der politischen Meinungsbildung in der SPD beteiligen. Zudem sollen neue Mitglieder besser begleitet, die Landespartei weiblicher werden. Auch die Jusos, die am Tag zuvor 40 Neumitglieder zu einer Willkommensaktion eingeladen hatten, hatten ihre Genossen beim Parteitag noch gemahnt, dass die SPD an Attraktivität für junge Menschen verliere und nicht alt und behäbig werden dürfe. Sie verteilten Streichholzschachteln mit der Aufschrift „Jeder Brand(t) hat klein angefangen“ – in Anspielung an den SPD-Übervater Willy Brandt.
Doch Lust auf den eigenen Nachwuchs schien der Parteitag nicht zu haben. Jusos-Landeschef Erik Stohn bekam nicht genügend Stimmen für den Einzug in den Landesvorstand. Und auch nach Inhalten stand der Partei offenbar nicht der Sinn. „Welches Bild sendet die SPD nach außen, wenn sie sich bei ihren Parteitagen nur um Personalwahlen und kaum noch um Inhalte kümmert?“, fragte Stohn. Als beschämend und bedenklich hätten junge Genossen dies kommentiert. Die SPD sei zu satt. Jusos-Landesvize Maja Wallstein sagte, das vorfristige Ende des Parteitages sei gerade für viele junge Parteimitglieder frustrierend, „die sich für die Antragsberatung lange in Themen eingearbeitet hatten, um ihre Anträge vorstellen und verteidigen zu können“.
Wallstein griff SPD-Landeschef Woidke auch direkt an: Entweder war dessen Appell, dass die Partei liefern müsse, um für die Menschen attraktiv zu bleiben, „nur eine der sogenannten Sonntagsreden, oder aber die Partei steht an der Stelle nicht hinter ihrem Landesvorsitzenden“. Es hätten noch wichtige Anträge auf der Tagesordnung des Parteitags gestanden, etwa zu den Themen Bildung, Gleichstellungspolitik, Breitbandausbau, Nachwuchsförderung bei der Polizei, Zukunftsperspektiven für die Lausitz und zum Umgang mit Bundesmitteln bei der regionalen Wirtschaftsförderung sowie bei der Hochschulfinanzierung, bei der die Jusos ohnehin mit der SPD-Landtagsfraktion über Kreuz liegen.
Nun werde mit Landesausschuss und Landesvorstand ein kleiner Kreis über diese Themen diskutieren. Das bittere Urteil von Jusos-Landesvize Maja Wallstein: „Das ist kein Aushängeschild für unsere Partei.“ Alexander Fröhlich
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