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Brandenburg: Stillstand nach jedem Fund
Insgesamt 14 Brandsätze sind seit Montag in Berlin und Brandenburg gefunden worden – von den Tätern fehlt bislang jede Spur. Die Bundespolizei hat wegen der Anschlagserie ihre Kräfte verstärkt.
- Tanja Buntrock
- Klaus Kurpjuweit
- Matthias Matern
- Rainer W. During
Stand:
Berlin/Potsdam - Es waren wieder Plastikflaschen, die Unbekannte in Kabelschächten deponiert hatten und die bei einer Zündung die Signale der Bahnen lahmlegen sollten. Am Mittwoch wurden solche Brandsätze nahe der Berliner Stadtgrenze bei Dallgow-Döberitz (Havelland) gefunden, außerdem am S-Bahn-Ring nahe Berlin-Gesundbrunnen und am Südkreuz. Die Deutsche Bahn hat für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, 100 000 Euro ausgelobt – eine ungewöhnlich hohe Summe. Für Hilfe bei Mordfällen setzen die Behörden meist etwa 5000 Euro aus. Der Brandsatz bei Staaken war wohl am Montag, als ein Anschlag bei Brieselang (ebenfalls Havelland) die dortigen Signalkabel zerstört hatte, unbemerkt entflammt, ohne große Schäden anzurichten. Die anderen am Mittwoch entdeckten Brandsätze wurden gefunden, ohne dass sie sich entzündet hatten.
Die Polizei geht davon aus, dass linksradikale Täter alle in dieser Woche bisher entdeckten 14 Brandsätze deponiert hatten und die nun nach und nach entdeckt werden. In einem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben hieß es, die Tat richte sich gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Die Polizei schloss nicht aus, dass es weitere Brandsätze in und um Berlin gibt. Eine Gefahr für Menschen sehen Experten jedoch nicht, auch weil bei technischen Defekten die Züge automatisch stoppen würden. Zuerst waren am Montag auf der Strecke nach Hamburg bei Brieselang Kabel in Brand gesetzt worden. Die Reparaturen dort werden frühestens an diesem Donnerstag abgeschlossen sein. So lange werden die Züge zwischen Hamburg und Berlin weiter über Stendal umgeleitet.
Wie in den vergangenen Tagen gab es auch am Mittwoch Verkehrsbehinderungen. Die Gleise der Schnellfahrstrecke bei Staaken waren von 11.30 Uhr bis 14 Uhr gesperrt; die Fernzüge fuhren über die Gleise der parallelen Stammbahn, auf der kein hohes Tempo möglich ist. In Schöneberg sperrten Beamte am Mittwoch die Torgauer Straße/Ecke Gotenstraße, der Verkehr wurde umgeleitet. Die S-Bahnen zwischen Südkreuz und Schöneberg wurden angehalten. Insgesamt sollen sich seit Montag 2000 Züge in und um Berlin verspätet haben.
Wie die Brandsätze funktionieren, war auch am Mittwoch nicht zu erfahren. Brennbare Flüssigkeiten in den Flaschen sollten wohl mithilfe eines Zeitzünders entflammt werden. Offenbar handelt es sich nicht um technisch ausgefeilte, gar militärische Konstruktionen. Diese hätte der Regen der vergangenen Tage kaum funktionsunfähig machen können.
Die Deutsche Bahn, zu der auch die Berliner S-Bahn gehört, prüft nach eigenen Angaben nun, die eigenen Sicherheitskräfte aufzustocken. Seit dem Anschlag bei Brieselang auf die Gleise nach Hamburg am Montag hat schon die für Bahnstrecken zuständige Bundespolizei ihre Kräfte verstärkt. Es seien Einheiten zur Überwachung von Gleisen und Bahnhöfen herangezogen worden, sagte ein Sprecher. Die Beamten arbeiteten sowohl in Uniform als auch in Zivil. Wie viele zusätzliche Bundespolizisten im Einsatz sind, wurde aus taktischen Gründen nicht mitgeteilt. Die nun eingesetzten Beamten würden nicht aus dem Kontingent abgezogen, das seit Wochen in Berlin nachts nach Autobrandstiftern sucht. Diese 400 Polizisten gingen ihrer Aufgabe nach wie vor nach, sagte der Sprecher. Allerdings werde der Hubschrauber mit Wärmebildkamera, der zur Suche nach mutmaßlichen Autobrandlegern genutzt wird, nun auch für die Schienenkontrolle herangezogen. Die Bundespolizei betonte, dass das Schienennetz der Bahn in Berlin und Brandenburg mehr als 6400 Bahnkilometer umfasse, sodass „eine lückenlose Überwachung nicht möglich“ sei. Der Chef der Bundespolizeidirektion, Klaus Kandt, bezeichnete das Sicherheitskonzept von Bundespolizei und Deutscher Bahn als Erfolg. Dies zeige sich daran, dass die meisten Brandsätze gefunden worden seien, bevor sie zündeten.
Allerdings waren viele der 14 Brandsätze in dieser Woche wohl eher zufällig entdeckt worden. Am Mittwoch etwa hatte ein S-Bahn-Fahrer aus dem Zug heraus etwas Verdächtiges gesehen, am Dienstag wurden durch Routinearbeiten bei Grünau Brandsätze entdeckt. Und auf den Fund bei Dallgow-Döberitz zwischen Wustermark (Havelland) und Berlin-Staaken war man gestoßen, weil es bei den Reparaturen an der Strecke nach Hamburg offenbar Hinweise darauf gegeben hatte, dass es auch auf den Gleisen nach Hannover neue Schäden geben könnte. Insgesamt seien gestern dort drei Brandsätze entdeckt worden, teilte der Sprecher des brandenburgischen Polizeipräsidiums, Rudi Sonntag, auf PNN-Nachfrage mit. „Einer davon wurde ausgelöst.“ Die beiden anderen wurden Angaben des Landeskriminalamtes Brandenburg (LKA) zufolge am frühen Nachmittag entschärft.
Beteiligt an dem Einsatz waren laut Polizeisprecher Sonntag auch Beamte des Schutzbereiches Havelland. Im Umfeld der Fundorte hätten die Polizisten Befragungen durchgeführt. Die Spurensicherung, etwa die Suche nach DNA-Spuren, sei dagegen Aufgabe der Tatortgruppe des LKA, so Rudi Sonntag. Bei der Anschlagsserie arbeiten die Landeskriminalämter Berlins und Brandenburgs eng zusammen. In Dallgow-Döberitz seien gestern auch fünf Beamte des brandenburgischen Staatsschutzes im Einsatz gewesen, teilte das LKA Brandenburg mit.
Nicht mit den Anschlagsversuchen zusammenhängen sollen die am Mittwoch auf einem Gehweg am Berliner Ostbahnhof gefundenen Benzinkanister. Die Polizei geht in diesem Fall von „Nachahmungstätern“ aus.
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