
© Paul Zinken/dpa
Brandenburg: Streit unter Flüchtlingen eskaliert
Hunderte Polizisten mussten in Berlin in drei Heimen eingreifen. Bei Schlägereien in Tempelhof, Kreuzberg und Spandau gab es Verletzte. Innensenator Henkel warnt vor Zunahme der Gewalt
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Berlin - Es begann mit einer Banalität, die eskalierte. Sonntagmittag, Flughafen Tempelhof, Hangar 1: Hunderte Flüchtlinge stehen in der Schlange, sie wollen ihr Mittagessen holen, da wird von der Seite gedrängelt. Von nun an fallen nicht nur böse Worte, es fliegen Fäuste. Massenschlägerei mit etwa 300 Beteiligten.
Die Bilanz eine Stunde später: 120 Polizisten im Einsatz mit schweren Helmen. Krankenwagen vor dem Hangar, Polizeiautos, Blaulicht; es gibt drei Schwerverletzte – zwei Sicherheitsmitarbeiter liegen im Krankenhaus und ein Flüchtling. Das Inventar ist zerstört. Heimleiter Michael Elias steht im Nieselregen vor dem Flughafen und sagt: „Hier ist die Stimmung völlig explodiert.“ Nach den Angriffen hatten er und seine 28 Mitarbeiter die Halle fluchtartig verlassen.
Es dauert eine Zeit, bis sich alle sortiert haben an diesem Sonntag. Dann lässt Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) mitteilen: „Es gibt Regeln in unserem Land. Wer sich nicht daran hält, für den gibt es bei uns auch andere Unterkünfte – mit verriegelten Türen und Fenstern.“ Er warne schon länger vor einer Eskalation: „Mit der steigenden Zahl von Massenunterkünften wachsen auch die Spannungen. Wir dürfen nicht zulassen, dass es irgendwann Tote gibt, wie schon in anderen Bundesländern.“
Es war der dritte Großeinsatz in Flüchtlingsheimen für die Berliner Polizei am Wochenende. Zuerst musste sie am Samstagabend zu einem Heim in Kreuzberg fahren. Zwei junge Männer schlugen mit Gürteln aufeinander ein. Als sich ein Wachmann schlichtend dazwischenstellte, wurde plötzlich er zum Angriffsziel: Einer der Flüchtlinge zerschlug eine Flasche, bedrohte damit den Helfer.
Stunden später dann in Spandau, Ortsteil Hakenfelde, kurz vor Mitternacht: Auch hier prügeln Flüchtlinge aufeinander ein, auch hier eskaliert die Lage schnell. Die Notunterkunft an der Mertensstraße ist erst seit 16. Oktober geöffnet. Betreiber ist die Berliner Stadtmission. 1000 Flüchtlinge leben in der einstigen Zigarettenfabrik von „British American Tobacco“, kurz: BAT. Die Lage ist kritisch, das zeigt sich schnell: Die Streitenden gehen plötzlich mit Feuerlöschern aufeinander los, die Polizei rückt aus mit 80 Männern – doch die Lage gerät außer Kontrolle. Fenster werden zerstört, Sitzgarnituren umgeworfen und Feuerlöscher entleert. Schließlich verlassen 500 Menschen das Gebäude, weil ihnen der Staub aus den Feuerlöschern Angst macht. „Wir haben sieben Bewohner ins Krankenhaus gebracht“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr am Sonntagmorgen.
Dann der Mittag in Tempelhof. Kurz nach der ersten Schlägerei berichtet die Gewerkschaft der Polizei von „Messern und Stangen“, mit denen die Flüchtlinge aufeinander losgegangen seien. Die Stimmung ist aufgeladen. Immer mehr Streifenwagen treffen ein, sogar aus weit entfernten Bezirken. Von Messern wird später keine Rede mehr sein, doch es gibt Verletzte. Krankenwagen bringen Sicherheitsdienstmitarbeiter in die Klinik, Lebensgefahr besteht offenbar nicht. Die Polizei läuft durch die Tempelhofer Hangars, sie befragt Zeugen und sucht die Rädelsführer. Es gibt Festnahmen – zehn, elf, zwölf, immer mehr. „Wir haben etwa zwei Dutzend Menschen in Gewahrsam genommen“, berichtet die Polizei, als die Lage unter Kontrolle ist. Draußen trägt ein Beamter ein zerbrochenes Stuhlbein in einen Einsatzwagen – es ist womöglich die Tatwaffe, mit der ein Sicherheitsmann schwer verletzt worden sein soll.
Am Flughafen Tempelhof, wo sich auch das Polizeipräsidium befindet, mangelt es nicht an Sicherheitsexperten. Der frühere Polizeichef Dieter Glietsch ist Staatssekretär für Flüchtlingsfragen, der langjährige Polizeiführer Klaus Keese koordiniert die Unterbringung am Tempelhofer Flughafen. Eigentlich dürfte nichts schiefgehen. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will nun schnell handeln. „Wir werden uns mit der Polizei und dem Betreiber Stadtmission abstimmen, wie man ähnliche Vorfälle vermeiden kann.“
Innensenator Frank Henkel (CDU) geht noch weiter. Er ist der Ansicht, die Sicherheitskonzepte in den Flüchtlingsunterkünften seien anzupassen, bevor „die Berliner Polizei dort irgendwann zum Dauergast wird“. Es gehe um den „sozialen Frieden in unserer Stadt“. Das gelte vor allem mit Blick auf den Winter. „Es reicht nicht aus, einfach nur alle Hallen voll zu belegen. Darüber werden wir im Senat reden müssen.“ S. Dassler, A. Görke,
J. Hasselmann, C. Stollowsky
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