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Brandenburg: Tempelhofer Feld – Bebauung wackelt

Die hohe Wahlbeteiligung erhöht die Chancen der Initiative für einen Erfolg des Volksentscheids

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Stand:

Berlin - Die Berliner Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ kann sich gute Chancen ausrechnen, das gesetzliche Quorum zu erreichen und damit erfolgreich zu sein. Denn bei der Europawahl und dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld zeichnete sich in Berlin eine viel höhere Wahlbeteiligung ab als bei der EU-Wahl 2009. Bis 16 Uhr gaben 36,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Vor fünf Jahren waren es zum selben Zeitpunkt erst 25,1 Prozent. Rechnet man die vielen Briefwähler hinzu, könnte die Wahlbeteiligung bei über 45 Prozent liegen.

Dann würde es reichen, wenn eine knappe Mehrheit der Wähler für die Freihaltung des Feldes gestimmt hat. Ein Volksentscheid in Berlin ist nämlich erfolgreich, wenn die Mehrheit, aber mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dafür stimmen. Besonders hoch war die Wahlbeteiligung in Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg.

Ein Votum gegen die Bebauung wäre für die Koalition aus Sozial- und Christdemokraten eine schwere Niederlage. Personelle Konsequenzen, etwa einen Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit oder des Stadtentwicklungssenators Michael Müller, haben der Regierungschef und der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß vor der Abstimmung bereits ausgeschlossen. SPD und CDU haben aber auch zugesagt, ein solches Votum der Bürger gegen die Randbebauung des Tempelhofer Feldes mit Wohnungen und Gewerbe, Sportanlagen und sozialer Infrastruktur strikt zu beachten. Grüne und Linke haben den Volksentscheid zwar unterstützt, halten es aber für möglich, trotz eines Bebauungsverbots über die weitere Entwicklung des ehemaligen Flughafens mit den Bürgern und im Parlament neu zu diskutieren. An der abendlichen Wahl-Party der Berliner SPD in Kreuzberg werde Wowereit „voraussichtlich“ nicht teilnehmen, bestätigte Senatssprecher Richard Meng. Auch dies deutet darauf hin, dass der Regierende Bürgermeister eine mögliche Niederlage beim Volksentscheid nicht hochhängen und keinesfalls auf sich persönlich beziehen will. Für den Senat wird Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zum Ergebnis des Volksentscheids öffentlich Stellung nehmen, sobald klar ist, wer gewonnen hat. Der CDU-Landeschef und Bürgermeister Frank Henkel ist in der Landeszentrale seiner Partei präsent.

Angesichts des strittigen Themas Tempelhof rückte die Europawahl in Berlin etwas in den Hintergrund. Die Prognose für Deutschland lässt erste Rückschlüsse auf das Berliner Wahlergebnis zu: Die SPD ist bei der Europawahl in Berlin überraschend stärkste Partei geworden. Nach Auszählung von knapp zwei Drittel der Stimmen konnten die Sozialdemokraten auf 23,7 Prozent zulegen (plus 4,9 Punkte). Auf Platz zwei liegt derzeit die CDU mit 19,8, Prozent, gefolgt von den Grünen mit 19,2 Prozent. Die Linke kommt demnach auf 16 Prozent.

Die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD), die erstmals zur Europawahl antrat, kam nun auf 8,3 Prozent. Die FDP sackte dramatisch um 5,8 Punkte auf 2,9 Prozent ab. Die Piraten legten auf 3,3, Prozent der Stimmen zu. Bei der Europawahl 2009 war die CDU mit 24,3 Prozent stärkste Kraft in Berlin geworden.

Weil das Bundesverfassungsgericht die Dreiprozentklausel bei Europawahlen in Deutschland gestrichen hat, haben weitere kleine Parteien gute Chancen, in das Straßburger Parlament einzuziehen. Dazu zählen auch die Piraten, die Freien Wähler (FW) und am rechten Rand die NPD. Alle diese Kleinparteien standen auch in Berlin auf dem Wahlzettel mit insgesamt 24 Listen.

Nach derzeitigem Stand könnten bis zu elf Kandidaten mit Wohnsitz in Berlin ins EU-Parlament einziehen: Vier Bewerber der Grünen, je zwei von Linken und AfD, je ein Bewerber von CDU, SPD und NPD. Erste Hochrechnungen für Berlin lagen bis zum Redaktionsschluss nicht vor.

Ulrich Zawatka-Gerlach

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