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Brandenburg: Totalschaden

Von 801 Eisenbahnbrücken in Brandenburg sind 65 zu kaputt, um sie noch instand setzen zu lassen

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Potsdam - In Brandenburg ist jede dritte Eisenbahnbrücke in beklagenswertem Zustand. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor. Besonders betroffen ist auch die Landeshauptstadt Potsdam, neben dem Raum um Bernau (Barnim) und Frankfurt (Oder). In Potsdam sind ausgerechnet an den beiden meistbefahrenen Trassen zwei Eisenbahnbrücken bereits so marode, dass sie nicht mehr wirtschaftlich sanierungsfähig sind. Es handelt sich dabei um eine Potsdamer Havelbrücke nahe dem Hauptbahnhof auf der Strecke nach Magdeburg, wo der hochfrequentierte Regionalexpress 1 fährt, und um eine S-Bahn–Brücke in Babelsberg, die komplett neu gebaut werden müssten. Wann das geschehen soll, ist bislang offen. Im vergangen Jahr hatten bereits Sanierungsarbeiten an den S- und Regionalbahntrassen zwischen Berlin und Potsdam monatelang für Chaos und Frust bei Pendlern gesorgt. Das Bundesverkehrsministerium betont, dass trotz der Brückenschäden die Sicherheit auf der Schiene „nicht gefährdet“ sei, was regelmäßig kontrolliert werde.

Die Grünen forderten am Dienstag Deutsche Bahn, Bundesregierung und das Land Brandenburg auf, das Sanierungsprogramm für Bahntrassen in Deutschland und damit auch für die Haupstadtregion zu beschleunigen und drastisch aufzustocken. „Sonst droht in zehn, fünfzehn Jahren ein Kollaps im Nahverkehr, könnten Zehntausende Pendler von Sperrungen betroffen sein“, warnte Michael Jungclaus, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in Brandenburgs Landtag. „Beim Zustand der Bahnbrücken ist Deutschland nicht weltmeisterlich, sondern abstiegsgefährdet.“ Die S-Bahn zwischen Berlin und Potsdam zählt täglich 25 000 Fahrgäste, der Regionalexpress 1 Richtung Magdeburg 15300 Passagiere.

In der Hauptstadtregion ist der Großteil der Eisenbahnbrücken über 100 Jahre alt. Die ersten Züge zwischen Berlin und Potsdam waren im damaligen Preußen immerhin bereits 1838 gedampft. Heute haben laut Antwort der Bundesregierung von 801 Eisenbahnbrücken im Land Brandenburg 65 „so gravierende Schäden, dass eine wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr möglich ist“. Sie können nach Schätzungen etwa noch fünfzehn Jahre benutzt werden. Bei weiteren 208 Bahnbrücken sind die Schäden umfangreich, jedoch noch eine Instandsetzung möglich. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein–Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz ist der Anteil maroder Bahnbrücken noch größer als in Brandenburg. In Berlin muss jede vierte der 895 Bahnbrücken saniert werden, etwa jede zehnte ist aber nicht mehr instandsetzungsfähig.

Zuständig ist die Deutsche Bahn AG, ein hundertprozentiges Unternehmen des Bundes. Das Bundesverkehrsministerium verwies am Dienstag auf PNN-Anfrage auf das Milliardenprogramm zur Sanierung der Bahnnetze. So stelle der Bund der Deutschen Bahn AG bereits jährlich 2,5 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung, wobei 2013 und 2014 diese Mittel bereits um je 250 Millionen auf 2,75 Milliarden Euro erhöht worden seien. Außerdem seien bis 2017 bereits 5 Milliarden Euro Sondermittel für Verkehrsinfrastruktur beschlossen worden, davon 1,05 Milliarden Euro für das Schienennetz. Die Bahn investiert zusätzlich rund 500 Millionen Eigenmittel im Jahr. Klar sei, auch wegen steigender Baukosten, dass die Bundesmittel weiter steigen werden, so das Bundesverkehrsministerium. Aus Sicht der Grünen reicht das nicht aus. „In das Schienennetz muss jährlich eine Milliarde Euro mehr als jetzt investiert werden“, sagte die Brandenburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock. Nach wie vor werde zu viel in Straßen und zu wenig in die Schiene investiert. Bahnchef Rüdiger Grube hatte zuletzt von einem Sanierungsstau in Höhe von 30 Milliarden Euro gesprochen.

Auch Brandenburgs Infrastrukturministerium macht angesichts des Sanierungsstaus bei Eisenbahnbrücken Druck. Zwar baue „die Bahn schon wie verrückt“, sagte Sprecher Lothar Wiegand. „Aber wir erwarten, dass die Bahn und der Bund weiter zügig investieren.“

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